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Höhlenmalerei mit weiblichem Touch

Geschichte|Archäologie

Höhlenmalerei mit weiblichem Touch
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Negativer Handabdruck in der Höhle von Pech-Merle in Südfrankreich
Sie sind die ältesten Zeugnisse menschlicher Kunst: Malereien und Ritzzeichnungen in Höhlen und an Felswänden. Vor allem in Südfrankreich und Spanien finden sich in vielen Höhlen kunstfertige Abbilder von Mammuts, Wildpferden und andern urzeitlichen Tieren, aber auch menschenähnliche Figuren und Handabdrücke. Viele dieser teilweise mehr als 30.000 Jahre alten Kunstwerke scheinen Jagdszenen darzustellen. Deshalb ging an lange davon aus, dass die Steinzeitmenschen, die diese Bilder schufen, vorwiegend Männer waren. Doch ein US-Forscher hat nun Belege dafür entdeckt, dass Frauen einen weitaus größeren Anteil an der Höhlenkunst gehabt haben könnten, als bisher angenommen.

Die Chauvet-Höhle in Südfrankreich ist einer der bekanntesten und ältesten Orte mit steinzeitlicher Höhlenmalerei. Die erst 1994 entdeckte Höhle enthält mehr als 470 Tier- und Symboldarstellungen, die die Wände von vier großen Grotten bedecken. Die mit Holzkohle und Ocker gemalten Bilder stammen aus der Zeit vor 32.000 bis 35.000 Jahren. Neben Abbildungen von Wildtieren finden sich in dieser Höhle auch auffallend viele Handabdrücke und Handnegative. Letztere entstehen, wenn die Hand an die Felswand gelegt wird und dann mit einem hohlen Halm oder einfach mit dem Mund Farbe darüber gepustet wird. Auch in andern Höhlen Südfrankreichs und Nordspaniens finden sich solche Handabdrücke. Da einige von ihnen kleiner sind als andere, ging man bisher davon aus, dass sie von erwachsenen Männern und halbwüchsigen Jungen stammten und möglicherweise im Rahmen bestimmter Rituale dort hinterlassen wurden.

Doch als Dean Snow, ein Anthropologe von der Pennsylvania State University, in einem Fotoband mit Abbildungen steinzeitlicher Höhlenkunst blätterte, wurde er stutzig: Der Handabdruck auf einem der Fotos stammte eindeutig nicht von einem Mann, sondern von einer Frau. Erkennen konnte der Forscher dies an den Proportionen der Hand und de Fingerlängen. So ist bei Männern beispielsweise meist der Ringfinger deutlich länger als der Zeigefinger, bei Frauen ist es umgekehrt oder beide sind gleich lang. Aufmerksam geworden, blätterte Snow weiter in dem Buch und stellte fest, dass von sechs angeschauten Handabdrücken  vier weiblich waren. Sollten die bisherigen Annahmen zu den Urhebern solcher Darstellungen falsch sein?

Drei Viertel sind Frauenhände

Der Forscher entschloss sich dieser Frage auf den Grund zu gehen. Er fuhr nach Europa und besuchte dort eine Reihe der Höhlen mit steinzeitlichen Malereien, von Handabdrücken in anderen Höhlen besorgte er sich hochauflösende Fotos. Zum Vergleich fotografierte er die Hände von heute lebenden Männern und Frauen aus dieser Gegend. Dann begann die Analyse. Zunächst vermaß er bei allen Handabdrücken Länge, Breite an Handgelenk und Fingerknöcheln und die Fingerlängen. Anhand dieser Grundmaße konnte er bereits die größeren männlichen Hände von kleineren, von Frauen oder Jugendlichen stammenden Abdrücken unterscheiden. Im zweiten Schritt dann verglich er die Längenverhältnisse der Finger, um zwischen Händen von Frauen und denen von männlichen Jugendlichen zu differenzieren.

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Das Ergebnis war erstaunlich: Nur zehn Prozent der steinzeitlichen Handabdrücke auf den Höhlenwänden stammten von erwachsenen Männern. 15 Prozent waren von Jugendlichen hinterlassen worden, aber 75 Prozent- und damit die überwältigende Mehrheit –  stammte von Frauen. Snow ist sich dabei seiner Sache ziemlich sicher. Denn seine Vermessungen ergaben auch, dass die geschlechtstypischen Unterschiede vor gut 30.000 Jahren offenbar noch deutlicher ausgeprägt waren als heute.  „Da es heute viele Überschneidungen gibt, dachte ich, es würde schwer werden, das Geschlecht der alten Handabdrücke zu bestimmen“, erklärt er. „Doch die Steinzeit-Hände fallen alle in die Extrembereiche der modernen Verteilung.“ Der Unterschied zwischen Männern und Frauen war damals offenbar – zumindest in Bezug auf die Hände – deutlicher als heute.

Noch hat Snow erst 36 Handabdrücke aus verschiedenen Höhlen in Südfrankreich und Spanien untersucht. Aber der hohe Anteil von immerhin drei Viertel Frauenhänden wirft nun einige Fragen auf: Welche Bedeutung hatten die Handabdrücke für die Steinzeitmenschen? Und welche Rolle spielten Frauen in der Höhenkunst dieser Ära? Auch der Anthropologe hat darauf bisher  keine Antwort. Noch bleiben diese Fragen offen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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