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Homo sapiens bekommt eine Heimat

Geschichte|Archäologie

Homo sapiens bekommt eine Heimat
Befand sich im südlichen Afrika der "Garten Eden"? (Bild: cibak/iStock)

Der Kontinent scheint klar – doch wo genau der moderne Mensch einst entstanden ist, blieb bisher fraglich. Nun legen Forscher den Finger auf die Karte: Ihre genetische Studie verweist auf eine Ursprungsregion südlich des Sambesi-Flusses im Norden Botswanas. Einst befand sich dort ein Feuchtgebiet, in dem Homo sapiens möglicherweise etwa 70.000 Jahre gedeihen konnte. Ob die Forscher allerdings tatsächlich den „Garten Eden“ identifiziert haben, müssen wohl erst weitere Studien bestätigen. Es ist weiterhin möglich, dass es einen multiregionalen Ursprung des modernen Menschen gegeben hat.

Viele Aspekte der Entwicklungsgeschichte des Menschen sind noch immer unklar – doch über einen Punkt besteht unter den Anthropologen weitgehend Einigkeit: Der moderne Mensch ist in Afrika entstanden und hat sich später auf der Welt ausgebreitet. Bei einer detaillierteren Betrachtung der Ursprungsregion tauchen allerdings erneut Fragezeichen auf: Die fossilen Funde verweisen eher auf eine ostafrikanische Ursprungsregion des Homo sapiens, während genetische Analysen darauf schließen lassen, dass unsere Vorfahren im südlichen Afrika entstanden sind. Das Zeitfenster wird grob auf 300.000 bis 200.000 Jahren vor unserer Zeit eingeschätzt. In diesem Zusammenhang haben 300.000 Jahre alte Funde in Marokko in den letzten Jahren für wissenschaftliche Diskussionen gesorgt, denn sie wurden dem modernen Menschen zugeordnet.

Menschheitsgeschichte im Spiegel mitochondrialer DNA

Die Forscher um Vanessa Hayes vom Garvan Institute of Medical Research in Sydney sind dem Ursprung des modernen Menschen nun erneut durch einen genetischen Ansatz auf den Grund gegangen. Sie untersuchten dazu genetisches Material von heutigen Menschen Afrikas einschließlich von Jägern und Sammler im südlichen Afrika, die Khoisan-Sprachen mit Klick-Lauten sprechen. Im Fokus stand dabei das Erbgut der Kraftwerke der Zellen – der Mitochondrien. Im Gegensatz zu der DNA der Zellkerne ist diese sogenannte mtDNA nicht von der genetischen Durchmischung bei der Entstehung eines Kindes betroffen. Denn Mitochondrien werden stets aus dem Plasma der mütterlichen Eizelle an die nächste Generation weitergegeben. Durch Analysen der mtDNA lässt sich somit die Abstammung der mütterlichen Linien von menschlichen Bevölkerungen zurückverfolgen.

Da diese DNA eine bestimmte Mutationsrate aufweist, sind zudem Rückschlüsse darauf möglich, wann es zu Populationsentwicklungen gekommen ist. „Mitochondriales Erbgut ist wie eine Zeitkapsel und akkumuliert Veränderungen über Generationen hinweg. Der Vergleich der mtDNA verschiedener Individuen kann dadurch Informationen über Populationsentwicklungen geben“, erklärt Hayes.

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Es ist in diesem Zusammenhang bereits bekannt, dass bestimmte Volksgruppen im südlichen Afrika die ältesten bekannten mtDNA-Linien besitzen. „Wir haben nun 198 neue mitochondriale Genome in die aktuelle Datenbank der frühesten bekannten Population des modernen Menschen, integriert. Dadurch konnten wir den Stammbaum unserer frühesten Ahnen detaillierter darstellen als je zuvor“, sagt die Co-Autorin Eva Chan vom Garvan Institute of Medical Research. Diese Ergebnisse kombinierten die Forscher zudem mit sprachlichen, kulturellen und geografischen Informationen der verschiedenen Bevölkerungslinien in Afrika.

Gab es einen „Garten Eden“?

Wie sie berichten, zeichnet sich in den Daten ab: Die früheste mütterliche Abstammungslinie des anatomisch modernen Menschen ist in einer Region südlich des Sambesi-Flusses entstanden, die das nördliche Botswana, Teile des östlichen Namibias und des westlichen Simbabwe umfasst. Ihre Ergebnisse verweisen auf die Zeit vor etwa 200.000 Jahren. Heute ist das Gebiet von Salzpfannen und Trockenheit geprägt, doch das war nicht immer so, geht aus geologischen und fossilen Hinweisen hervor. Einst befand sich dort der größte See Afrikas. „Vor der Entstehung des modernen Menschen begann dieser See aufgrund von Verschiebungen der darunter liegenden tektonischen Platten zu versickern. Dadurch entstand dort ein riesiges Feuchtgebiet mit üppigen Lebensbedingungen“, sagt Co-Autor Andy Moore von der Rhodes University.

Die Forscher schließen aus ihren Ergebnissen, dass dieses Ökosystem den ersten Vertretern der modernen Menschen eine stabile ökologische Umgebung bot, in der sie etwa 70.000 Jahre lebten. „Wir haben genetische Spuren in den frühesten mütterlichen Sublinien des modernen Menschen festgestellt, die darauf hindeutet, dass einige unserer Vorfahren vor 130 bis 110.000 Jahren aus diesem Heimatland auswanderten“, sagt Hayes. Die ersten Migranten sind demnach nach Nordosten gezogen, gefolgt von einer zweiten Migrantionswelle, die sich nach Südwesten richtete. Eine dritte Bevölkerungsgruppe blieb hingegen im Heimatland. „Die Nachkommen dieser Menschen, die sich schließlich mit der dortigen Trockenheit arrangieren konnten, leben bis heute in der Großregion Kalahari“, sagt Hayes.

Die ersten Migrationsbewegungen des Menschen

Die Forscher präsentieren auch Hinweisen dazu, was zu den frühen Migrationsbewegungen führte. Sie basieren auf einer Rekonstruktion der Klimageschichte des südlichen Afrika in den letzten 250.000 Jahren. „Unsere Simulationen legen nahe, dass es zu periodischen Verschiebungen der Niederschläge im südlichen Afrika kam“, sagt Co-Autor Axel Timmermann von Pusan National University in Südkorea. „Diese Klimaveränderungen haben vor 130.000 Jahren vermutlich grüne, bewachsene Korridore nach Nordosten und vor 110.000 Jahren nach Südwesten geöffnet und es unseren Vorfahren ermöglicht, zum ersten Mal ihre Heimat zu verlassen“, so der Wissenschaftler.

Es bleibt nun allerdings abzuwarten, wie die Gemeinde der Anthropologen auf die Studie reagieren wird. Wie die Forscher selbst schreiben, können ihre Ergebnisse nicht ausschließen, dass der Mensch multiregional entstanden ist. Dieser Theorie zufolge könnten unsere Vorfahren in verschiedenen Regionen die Merkmale entwickelt haben, die sie zu den ersten modernen Menschen machten.

Quelle: Garvan Institute of Medical Research, Nature, doi: 10.1038/s41586-019-1714-1

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