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Internationale Konferenz über Axel Springer

Forschung

Internationale Konferenz über Axel Springer

Axel Springer, Erfinder der „Bild“-Zeitung und Herr über Europas größtes Zeitungsimperium, ist eine der schillerndsten Figuren der westdeutschen Nachkriegsgeschichte. Der Frankfurter Historiker Dmitrij Belkin hat Zeitzeugen, Historiker und Publizisten eingeladen, um über die Widersprüche im Leben und Denken dieses mächtigen Mannes zu diskutieren.

Er soll, so erzählen Augenzeugen, immer wenn er in Tel Aviv gelandet war, zur Begrüßung den Boden geküsst haben. Im Juni 1966 besuchte Axel Springer (1912-1985) zum ersten Mal das kleine Land im Nahen Osten, das für ihn, den tiefgläubigen Christen, ganz zweifellos das Heilige Land war. Fast 30 Mal wird er dorthin zurückkehren, vor allem nach Jerusalem, in die zunächst noch geteilte Stadt, in deren Zerrissenheit er das Schicksal Berlins gespiegelt sah, fünf Jahre nach dem Mauerbau.

Doch für Europas mächtigsten Zeitungsmann, unter vielen Zeitgenossen als brutaler Blattmacher und selbstherrlicher Verleger mit Hang zur rechtsnationalen Schwärmerei verschrien, gab es noch eine weitere schicksalhafte Verbindung zwischen seinem Heimatland und dem jungen jüdischen Staat: die dunkle „Todeswolke von Auschwitz“, wie er es nannte, die Schuld der Deutschen, die verantwortlich waren für die Ermordung von sechs Millionen Juden. Ein Verbrechen, an dem Springer, wie sein Biograph Michael Jürgs schreibt, „geradezu körperlich litt“. Er persönlich wollte etwas von dieser Schuld abtragen, obgleich er selbst sich wenig vorzuwerfen hatte, denn er hatte zwischen 1933 und 1 945 „Ich nicht!“ zwar nicht laut gesagt, aber zumindest gedacht und sich mit Hilfe eines Attests als wehruntauglich ausmustern lassen. Sein Beitrag zur Aussöhnung war die bedingungslose Unterstützung des Staates Israel, eine Haltung, zu der sich bis heute jeder Mitarbeiter des Springer-Konzerns bei Unterzeichnung seines Arbeitsvertrages verpflichten muss. Außerdem gab er Spenden in Millionenhöhe: für das „Israel Museum“, für Kliniken, für Universitätslehrstühle.

In seinem Verhältnis zu Israel zeigt sich ein anderer Springer als derjenige, der in den späten 60er Jahren zur Hassfigur der Studentenbewegung avancierte. Und diese Diskrepanz fand Dmitrij Belkin, der deutsch-russisch-jüdische Intellektuelle, der 1993 aus der Ukraine nach Deutschland kam und heute am Fritz-Bauer-Institut und am Jüdischen Museum in Frankfurt tätig ist, in höchstem Maße irritierend. „In Israel zählt Springer zu den beliebtesten Deutschen, hierzulande wird und wurde er fast in die Nähe von Hitler gerückt“, hat Belkin beobachtet. So stand Springers Name bei der RAF auf der Liste potentieller Anschlagsopfer ziemlich weit oben; seit den späten 60er Jahren konnte er keinen Sc hritt mehr ohne Leibwächter unternehmen. „Springer wurde für viele zur Symbolfigur des verhassten Establishments, zum Sinnbild der alten verkrusteten Verhältnisse, die sie unbedingt abschaffen wollten – aber warum gerade er?“, fragt Belkin mit der Unbefangenheit desjenigen, der das Ganze aus der Distanz betrachtet. Auch verwundert ihn, dass er bei seinen Freunden und Kollegen stets nur auf Ablehnung bis hin zum Ekel stößt, wenn er sie auf die „Bild“-Zeitung anspricht, obgleich – oder weil? – diese mit einer Reichweite von täglich bis zu zwölf Millionen Lesern die erfolgreichste Zeitung in Deutschland ist.

Belkin selbst war auf dieses Blatt aufmerksam geworden, als er 2002, während der Zweiten Intifada, auf dessen Titelseite das großformatige Foto eines erschossenen israelischen Busfahrers entdeckte. Während das politisch korrekte Mitgefühl hierzulande doch eher den Palästinensern gilt. Wo verlaufen in dieser Auseinandersetzung die Fronten, wo die Verbindungslinien, wer ist hier wem Freund, wer wessen Feind? Dies herauszufinden reizte den Historiker Belkin. Zumal er den Eindruck gewann, dass sich im Leben Axel Springers, der so gerne Opernsänger geworden wäre, wie in einem Königsdrama ganze Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte lebendig nachzeichnen lassen. Mit jeder Menge übler Ratgeber in seinem Hofstaat, wie bei Shakespeares berühmten Dänenkönig. Denn Springer, der sein Leben lang Uniformen hasste, hatte eine merkwürdige Kamarilla um sich geschart, zu der neben strammen Rechtskonservativen und hochdekorierten Wehrmachtsangehörigen auch Juden wie Ernst Cramer und (auch wenn von ihm selbst verheimlicht) Peter Boenisch zählten. Dieser Männerbund verrät viel über die Widersprüche im Charakter dieses Mannes.

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Eine für März 2012 geplante Ausstellung im Jüdischen Museum soll das komplizierte Verhältnis des Verlegers zu „Juden, Deutschen und Israelis“ illustrieren. Die Internationale Konferenz, die sich jetzt, am 27./28. März, demselben Thema widmet, dient ihrer Vorbereitung. Belkin hat sie organisiert; er selbst wird unter der provokanten Überschrift „Bild dir dein Volk! Axel Springer und der Postholocaust-Boulevard“ die Debatte eröffnen. Zu den Vortragenden und Diskussionsteilnehmern zählen unter anderem auch der ehemalige Botschafter Israels in der Bundesrepublik, Avi Primor, Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung, der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit sowie Thoma s Schmid, ehemaliger Linker und heute Herausgeber der konservativen „Welt“-Gruppe im Springer-Verlag. Spannend dürfte auch der Diskurs über „Stasi, Springer und der Antizionismus der DDR“ werden. Leben und Wirken des Groß-verlegers waren dem Politbüro in Ostberlin so verhasst, dass man sich mit dem filmischen Machwerk „Ich – Axel Caesar Springer“ an ihm abarbeiten musste. Kein Wunder eigentlich, hatte der doch seine Konzernzentrale in der Kreuzberger Kochstraße aus Protest gegen die Teilung direkt an die Mauer gesetzt und außerdem verfügt, dass in seinen Zeitungen die DDR niemals ohne Anführungszeichen zu erwähnen sei. An der Hoffnung, dass das geteilte Deutschland eines Tages wieder eines würde, hat er Zeit seines Lebens festgehalten. Doch er starb vier Jahre, bevor sein Traum tatsächlich wahr geworden ist.

Axel Springer – Juden, Deutsche und Israelis – Internationale Konferenz, Sonntag 27. August 2011, Museum Judengasse, Kurt-Schumacher-Straße 10, 18 Uhr, und Montag, 28. März, 9 Uhr, IG Farben-Haus Frankfurt am Main, Grüneburgplatz 1, Raum 311.

Die Konferenz ist öffentlich. Die Teilnahme ist kostenlos.

Quelle: Barbara Goldberg
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