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Ist das „Mystery-Manuskript“ entschlüsselt?

Geschichte|Archäologie

Ist das „Mystery-Manuskript“ entschlüsselt?
Cheshire zufolge ist hier das Wort "Palina" zu sehen, das mit der Zeichnung rechts verknüpft ist. Es handelte sich um ein Werkzeug zum Messen der Wassertiefe, erklärt der Sprachwissenschaftler. (Bild: Voynich-Manuskript)

Ein britischer Wissenschaftler hat möglicherweise geschafft, woran so viele Experten bisher gescheitert sind: Er glaubt, den „Code“ des geheimnisumwitterten Voynich-Manuskripts geknackt zu haben. Sprache und Schriftzeichen der reich illustrierten Handschrift aus dem 15. Jahrhundert gelten bisher als rätselhaft. Gerard Cheshire von der Universität Bristol zufolge ist der Text in Protoromanisch verfasst – eine ausgestorbene und verschollene Sprache des Mittelalters. Auch in der seltsamen Schrift hat der Sprachforscher Strukturen erkannt. Seine Ergebnisse könnten nun zu einer Übersetzung des mysteriösen Buchs führen, sagt Cheshire.

Enthält es magische Formeln, geheimnisvolle Botschaften? Sogar von Aliens war schon die Rede: Durch seine teils bizarr wirkenden Zeichnungen und die mysteriösen Schriftzeichen hat das über 200 Seiten umfassende Werk zu den wildesten Spekulationen über Inhalt und Verfasser geführt. Benannt ist es nach dem polnischen Buchhändler und Antiquar Wilfrid M. Voynich (1865 bis 1930), der es im Jahr 1912 erworben hat. Heute befindet sich das Voynich-Manuskript in der Beinecke-Bibliothek der Yale University. Bereits ab 1915 wurde es zunehmend bekannt. Seitdem weckte es die Fantasie der Menschen – und das Interesse der Wissenschaftler. Klar scheint: Es stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Dies geht aus einer Radiokarbondatierung des Materials hervor und aus Hinweisen in den zeichnerischen Darstellungen.

Bis heute haben allerdings die zahlreichen Versuche, Sprache und Schrift sowie mögliche Codierungen zu identifizieren, zu keinen klaren Ergebnissen geführt. Es gab sogar die Vermutung, die Schrift vermittle gar keine Informationen – es handle sich nur um unsinnige Zeichenfolgen. Zuletzt hatte ein Team der University of Alberta versucht, den Code mithilfe von künstlicher Intelligenz zu knacken. Aber auch dieser Ansatz führte zu keinen schlüssigen Ergebnissen. Nun ist Gerard Cheshire jedoch überzeugt, das Rätsel gelöst zu haben: In der Fachzeitschrift „Romance Studies“ präsentiert er, zu welchen Schlüssen er bei der Untersuchung des Werkes gekommen ist.

Hat Cheshire nun den Schlüssel geliefert?

„Ich erlebte eine Reihe von Aha-Momenten“, berichtet der Experte für romanische Sprachen. Ihm zufolge ist das Manuskript in Protoromanisch verfasst. Diese Sprache gilt als Ursprung der heutigen romanischen Sprachen wie Portugiesisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Rumänisch, Katalanisch und Galizisch. Vor seinem Verschwinden war das Protoromanische im mittelalterlichen Mittelmeerraum weit verbreitet. Es geriet dann aber in Vergessenheit, denn für Schriftstücke wurde Protoromanisch nicht verwendet, sondern nur Latein. Wie Cheshire erklärt, bildete das Voynich-Manuskript offenbar eine Ausnahme von dieser Regel. Es handelt sich somit um ein erstaunliches Zeugnis dieser verschollenen Sprache.

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Das Manuskript ist demnach eigentlich gar nicht codiert, sondern nur in einer Sprache und einem Schriftsystem geschrieben, die völlig in Vergessenheit geraten sind. Diese Kombination hat dazu geführt, dass der Kodex unerklärlich schien, resümiert der Sprachwissenschaftler. Über die Schrift berichtete er: „Das zugrundeliegende Alphabet ist eine Kombination aus unbekannten und bekannteren Symbolen. Es enthält keine klaren Interpunktionszeichen, obwohl einige Buchstaben Symbolvarianten haben, die Interpunktion oder phonetische Akzente anzeigen. Der Text enthält zudem einige lateinische Wörter und Abkürzungen“, so Cheshire.

Nun ist offenbar Übersetzen angesagt

Die Strukturen, die er erkannt hat, haben offenbar bereits erste inhaltliche Einblicke ermöglicht: Cheshire zufolge zeichnet sich ab, dass das Werk Informationen zu Heilverfahren, zum menschlichen Körper sowie über Kindererziehung und Astrologie vermittelt. Den Hinweisen zufolge stammt das Manuskript von einer Insel in der Nähe von Neapel. Dort wurde es vermutlich von Nonnen für Maria von Kastilien, der Königin von Aragon (1401 bis 1458) zusammengestellt, schreibt Cheshire. Doch es steht nun noch viel Arbeit an: Die Informationen über Schrift und Sprache sollten jetzt genutzt werden, um das gesamte Manuskript zu übersetzen, sagt der Forscher.

„Da sich Sprache und Schriftsystem aufgeklärt haben, können Wissenschaftler das Manuskript nun analysieren. Zum ersten Mal lässt sich nun der wahre sprachliche und informative Inhalt des Manuskripts erkunden“, meint Cheshire. Man darf also gespannt sein, wie die „Voynich-Manuskript-Gemeinde“ auf seine Thesen reagieren wird und ob seine Erklärung nun wirklich die Wende in der erstaunlichen Forschungsgeschichte des geheimnisumwitterten Werks bringen wird.

Quelle: University of Bristol, Romance Studies, 10.1080/02639904.2019.1599566

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