Mit dem Hochaltar für die Kathedrale in Chur (1486-1492) hat Russ einen der bedeutendsten und schönsten Schnitzaltäre der Schweizer Spätgotik geschaffen. Mit seinem Zyklus geschnitzter Figuren für den Rathaussaal in Überlingen, einem der beeindruckendsten Ratssäle Süddeutschlands (1491-1494), hat er Maßstäbe gesetzt. Dargestellt sind 41 ausgewählte Vertreter der Stände des Heiligen Römischen Reichs: vom Kaiser und den Kurfürsten bis hin zu den Städten und den Bauern. Für dieses Kunstwerk ist ein Vertragsentwurf erhalten geblieben, in dem die Arbeitsbedingungen bis ins Detail geregelt sind. In und um seine Heimatstadt Ravensburg werden Russ bzw. seiner Werkstatt zahlreiche Heiligenfiguren zugeschrieben.
Die Ausstellung beschäftigt sich mit Leben und Werk des ungewöhnlichen Meisters, mit der Bedeutung von Kunsthandwerk in der spätmittelalterlichen Stadt und dem Enstehungsprozess spätgotischer Werke allgemein. Die einzelnen Arbeitsschritte von der Aushandlung eines Vertrags, über die diffizile Arbeit in der Werkstatt bis hin zum fertigen Meisterwerk werden in fünf inszenierten Räumen erlebbar. Auf einem Parcours lernt der Besucher die Kunsthandwerker der mittelalterlichen Stadt kennen, den Unternehmer Jacob Russ und die Werkstatt eines Bildhauers. Er durchschreitet virtuell die Churer Kathedrale und betritt den Ratssaal von Überlingen. Einige ungewöhnliche Skulpturen aus Überlingen, Chur, Stuttgart und aus Kirchen in und um Ravensburg mit ihren ausdrucksstarken Gesichtern und feinen Händen säumen den Weg der Besucher durch die Ausstellung.