Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Kaisermorde im Spiegel der Statistik

Geschichte|Archäologie

Kaisermorde im Spiegel der Statistik
Beispiel für ein gewaltsames Ende: Domitian war von 81 v. Chr. bis zu seiner Ermordung im Jahr 96 römischer Kaiser. (Bild: Joseph Saleh, Georgia Institute of Technology)

Ungewöhnlicher Blick in die Geschichte: Einem Wissenschaftler zufolge gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen dem typischen Schicksal römischer Kaiser und der statistischen Zuverlässigkeit von technischen Geräten. Demnach entsprach das Risiko der Herrscher, während ihrer Regierungszeit einen gewaltsamen Tod zu sterben, dem zeitlichen Verlauf der Versagens-Wahrscheinlichkeit von elektronischen Bauteilen und anderen technischen Systemen.

Sie besaßen gewaltige Macht und schwelgten im Luxus, doch dafür zahlten die römischen Kaiser einen hohen Preis – sie mussten stets um ihr Leben fürchten, wie eine Bilanz verdeutlicht: Von den 69 Herrschern der klassischen römischen Kaiserzeit starben 43 eines gewaltsamen Todes – meist wurden sie ermordet. Diese Schicksale betrachten Historiker in der Regel einzeln, denn stets gab es im Verlauf der rund 400 Jahre spezielle geschichtliche Umstände im Zusammenhang mit diesen unnatürlichen Todesfällen. Joseph Saleh vom Georgia Institute of Technology in Atlant ist nun hingegen der Frage nachgegangen, ob übergeordnete Muster erkennbar sind. Konkret: Lassen sich statistische Auffälligkeiten bei der Dauer der Herrschaft der Kaiser feststellen, bevor sie gewaltsam ums Leben kamen?

Übergeordneten Mustern auf der Spur

Wie er berichtet, zeichneten sich bei der Auswertung der Daten zu den 43 tragisch geendeten Kaisern tatsächlich Tendenzen ab: Demnach war das Risiko für einen Mordanschlag im ersten Regierungsjahr besonders hoch – danach nahm es deutlich ab und stabilisierte sich. Doch wenn ein Kaiser dann für längere Zeit an der Macht blieb, wurde die Lage wieder brenzliger: Nach etwa zwölf Jahren stieg das Risiko, eines gewaltsamen Todes zu sterben, erneut deutlich an, geht aus der Statistik hervor. Bei der grafischen Darstellung des Todesrisikos in Abhängigkeit von der Regierungszeit bildet sich somit eine Kurve in der Form einer Wanne, verdeutlicht Saleh.

Dabei kommt nun der überraschende Aspekt ins Spiel: Dem Wissenschaftler zufolge sind ähnliche Zusammenhänge aus dem Ingenieurwesen bekannt. „In der Technik wird die Zuverlässigkeit eines Geräts oder eines Bauteils als die Wahrscheinlichkeit definiert, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt noch betriebsbereit ist“, sagt Saleh. „Die durchschnittliche Dauer bis zum Versagen einer solchen Einheit wird dabei als ‚Zeit bis zum Ausfall‘ bezeichnet. Dies entspricht der ‚Zeit bis zum gewaltsamen Tod‘ bei den römischen Kaisern“, erklärt der Wissenschaftler.

Was Kaiser mit Technik verbindet

Analog zum Todesrisiko der Kaiser liegt bei den technischen Geräten anfangs ebenfalls eine erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeit vor, sagt Saleh. Das liegt daran, dass sie von Anfang an eine wichtige Schwachstelle aufweisen können – wie etwa eine brüchige elektronische Verbindung, die dann früh zum Versagen führt. Dies könnte den Wissenschaftler zufolge den ungünstigen persönlichen Merkmalen oder kritischen Anfangsumständen im Fall der Kaiser entsprechen. Diese Faktoren führten möglicherweise dazu, dass zu Beginn der Herrschaft vergleichsweise viele Gegner Mordabsichten entwickelten und auch erfolgreich umsetzen konnten.

Zurück zur Technik: Wenn ein Gerät die kritische Anfangslaufzeit gemeistert hat, ist die statistische Wahrscheinlichkeit hoch, dass es auch weiterhin funktioniert. Wiederum zeigt sich dabei eine Parallele zu den Kaisern, meint Saleh: Wenn sie sich etablieren konnten – Gegner vernichten oder Schutzmechanismen aufgebaut hatten – verringerte sich die Wahrscheinlichkeit, einem Mord zum Opfer zu fallen. Doch später stieg dieses Risiko dann wieder an, wie aus der Statistik hervorgeht. Saleh erklärt dies damit, dass sich möglicherweise im Laufe der Zeit neue Gegnergruppen und Mordmotive entwickeln konnten oder Schwächen der Herrscher deutlich wurden. Dies entspricht wiederum dem Ermüdungsbruch in der Technik: Nach einer gewissen Laufzeit führt der Verschleiß zu einer steigenden Ausfalls-Wahrscheinlichkeit von technischen Geräten.

Anzeige

„Es ist interessant, dass der zeitliche Verlauf des Sterberisikos der Kaiser eine systematische Struktur zu haben scheint, die zu einem statistischen Modell passt, das im Ingenieurwesen weit verbreitet ist: Obwohl es sich bei den einzelnen Fällen um zufällige Ereignisse handelt, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass möglicherweise Prozesse zugrunde lagen, die die Länge bis zum Tod prägten“, resümiert der Saleh. Er hofft, dass seine ungewöhnliche Studie nun andere Wissenschaftler dazu animiert, durch ähnliche statistische Ansätze nach übergeordneten Mustern in geschichtlichen Zusammenhängen zu suchen.

Quelle: Springer, Fachartikel: Palgrave Communications, doi: 0.1057/s41599-019-0366-y

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Fer|ro|elek|tri|zi|tät  auch:  Fer|ro|elekt|ri|zi|tät  〈f. 20; unz.; Phys.〉 dem Ferromagnetismus analoges Verhalten einiger Kristalle, bei denen sich elektr. Dipolmomente in mehr od. weniger großen Kristallbereichen parallel ausrichten … mehr

kunst|ge|werb|lich  〈Adj.〉 das Kunstgewerbe betreffend, zu ihm gehörig, auf ihm beruhend

To|na|li|tät  〈f. 20; unz.; Mus.〉 Bezogenheit der Töne auf die Tonika der Tonart, in der sie stehen; Ggs Atonalität … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige