Jahrhundertelang waren Wissenschaftler und Schriftsteller in die altägyptische Megalopolis Alexandria gepilgert, um die berühmte Bibliothek zu nutzen und eine Abschrift ihrer eigenen Werke zu hinterlassen. So sammelte sich in diesem „Museion“ fast das gesamte Wissen der Menschheit – von den Schriften Euklids über die verschiedensten philosophischen Betrachtungen bis hin zu den medizinischen Abhandlungen von Galenus aus Pergamon.
Doch 642 n.Chr. hat die Hafenstadt ihre Blütezeit längst hinter sich. Die Bibliothek ist fast verwaist: Nur der greise Grammatiker Philoponos, seine gelehrte Nichte Hypathia und der junge Arzt Rhazes halten den Betrieb aufrecht. Denn ein neues Zeitalter ist angebrochen: Vor den Toren steht das bewaffnete Heer des Kalifen von Medina. Es soll nicht nur die Stadt einnehmen, sondern auch die Bibliothek verbrennen. Der Anführer des Heeres, der Emir Amr ibn al-As, will den Befehl nicht ausführen und sucht gemeinsam mit dem alten Bibliothekar in langen Debatten nach guten Gründen, um den Kalifen zu überzeugen. Über den Wert des Wissens an sich entspinnen sich Gespräche von großer Aktualität.
Der Astrophysiker und Autor Jean-Pierre Luminet erzählt die Geschichte spannend bis zum bitteren Schluss und füllt mit Fantasie, was sich aus Quellen nicht mehr erschließen lässt. Er hat ein Buch geschrieben, das in keine Schublade passt – halb ein Roman, der Menschen in ihren Zwängen lebendig schildert, halb ein fundiertes Sachbuch, das einen tiefen Blick in die lange lichte Zeit vor dem finsteren Mittelalter erlaubt. Antonia Rötger
Jean-Pierre Luminet ALEXANDRIA 642 Roman des antiken Weltwissens C.H. Beck München 2003 286 S., € 19,90 3–406–5 0956–8