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Karneval: Spaß und Ironie, keine Revolution

Geschichte|Archäologie

Karneval: Spaß und Ironie, keine Revolution
Fasnet: Rottweiler "Federahannes". (Foto: Verena Mink)

Herrschende gesellschaftliche Ordnungen werden seit Jahrhunderten durch Fastnachtsrituale wie Umzüge, Maskeraden, Spottlieder und Parodien in Frage gestellt. Zu tatsächlichen Versuchen die bestehenden Verhältnisse zu ändern, führte derlei „kontrollierte Normüberschreitung“ jedoch selten. „Die karnevaleske Umkehrung des Alltags und der politische Umsturz waren zweierlei“, so Barbara Stollberg-Rilinger. Die Forscherin, die im November für ihre Ritual- und Symbolforschungen mit dem deutschen Historikerpreis ausgezeichnet wurde, hat jüngst die erste Überblicksdarstellung zur historischen Ritualforschung im Campus Verlag vorlegt und darin auch Fastnachtsrituale analysiert (Barbara Stollberg-Rilinger: Rituale, Frankfurt am Main 2013).

„Auch wenn sich im vormodernen Karneval die Welt verkehrte, wenn der Spott die Ehrfurcht ersetzte, Überfluss statt Mangel herrschte, Männer sich als Frauen verkleideten, Frauen als Männer und das Heilige der Kirchen profaniert und parodiert wurde, so ist nicht jedem populären Festbrauch ein aufrührerischer und politisch gefährlicher Subtext zu unterstellen“, schreibt die Wissenschaftlerin. Um das subversive Potenzial der „Verkehrten Welt“ der Fastnacht zu bestimmen, dürfe man nicht generalisieren. Vielmehr seien die politischen und sozialen Umstände jedes Einzelfalls anhand der Quellen genau zu rekonstruieren. „Wenn es bei manchen karnevalesken Anlässen zu Gewaltexzessen kam, lässt sich das nach genauer Untersuchung oft nicht ohne eine Konfliktgeschichte erklären, die lange vorher begann und mit dem Karneval nichts zu tun hatte.“

Der christliche Karneval zwischen Weihnachten und Fastenzeit ist quellenmäßig ab dem 13. Jahrhundert belegt. „Er bestand nicht nur in allgemeinen Festlichkeiten, Gelagen und Vergnügungen, sondern auch in sorgfältig organisierten Umzügen, Maskeraden, Wettkämpfen, szenischen Spielen und Schautänzen, die die städtischen Zünfte und Bruderschaften veranstalteten. Wenn dies geschah, herrschte ‚Narrenfreiheit‘“, so Stollberg-Rilinger. Ob der christliche Karneval in historischer Kontinuität zur heidnischen Antike steht, ist umstritten. Zumindest ähneln sich die Phänomene: Auch die römischen Saturnalien und griechischen Dionysien erlaubten Grenzüberschreitungen und nivellierten Statusunterschiede, etwa zwischen Sklaven und Freien.

Die kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten gingen mit den populären Festbräuchen im Verlauf der Jahrhunderte immer strenger um. „Im Spätmittelalter waren die Grenzen zwischen profaner und sakraler Sphäre noch fließend, die Kirche war für karnevaleske Späße keineswegs tabu.“ Die Kleriker hatten ihre eigenen Umkehrrituale, häufig parodierten sie die Liturgie. „Das änderte sich im 16. Jahrhundert unter dem Einfluss von Reformation und Konfessionalisierung“, erläutert die Frühneuzeit-Historikerin. In katholischen Ländern wurde der Karneval enger als zuvor auf die Tage vor Aschermittwoch begrenzt. Klerikern wurde verboten, sich an Karnevalsbräuchen zu beteiligen. In protestantischen Ländern wurde dem Karneval hingegen grundsätzlich der Kampf angesagt. Dass die Obrigkeiten dagegen vorgingen, sei Teil ihres „Feldzugs gegen Ausschweifung und Müßiggang“ gewesen. „Ob und wie die Verbote sich durchsetzten, ist allerdings schwer zu rekonstruieren.“ Fest steht der Expertin zufolge, dass die „gebildeten Stände“ sich zunehmend von dem als „roh und unzivilisiert“ angesehenen Vergnügen distanzierten, sodass sich die Festkulturen des Volkes und der Bildungseliten auseinander entwickelten.

Quelle: Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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