Im 4. bis 2. Jahrhundert v. Chr. war die reiche nordafrikanische Stadt Karthago Roms ärgste Konkurrentin, bis den Römern 146 v. Chr. im dritten Punischen Krieg ihre Zerstörung gelang. Die römischen Geschichtsschreiber hatten Grausiges über den Feind zu berichten: Die Karthager hätten, so liest man bei Diodorus oder Plutarch, ihrem Gott Baal-Hammon Kinderopfer dargebracht. Anlässlich einer Belagerung im Jahr 310 v. Chr. seien vor allem männliche Nachkommen der Elite in großer Zahl geopfert und auf dem Kinderfriedhof Tophet bestattet worden.
Jeffrey Schwartz von der University of Pittsburgh hat nun Knochen aus 348 Urnen des Kinderfriedhofs untersucht und kommt zu interessanten Ergebnissen: Er konnte an den Knochen keinerlei Spuren von Gewaltanwendungen entdecken, dazu brachte eine vergleichende Analyse von 70 Skeletten ans Licht, dass 38 von 70 Verstorbenen nicht etwa Jungen, sondern Mädchen waren. Schwartz fand außerdem heraus, dass sehr viele Kinder bereits zwischen dem zweiten und dem fünften Lebensmonat verstorben waren, Hinweis auf die in der Antike übliche hohe Kindersterblichkeit. Am meisten aber spricht gegen die Kinderopfer-These der Befund, dass 20 Prozent der Kinder Totgeburten waren. So diente Tophet wohl lediglich der Bestattung von Kindern, die noch nicht in die Gemeinschaft hatten aufgenommen werden können, und die Mär vom Kinderopfer ist nichts als römische Propaganda.