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Kreide-Riese ist angelsächsisch statt prähistorisch

England

Kreide-Riese ist angelsächsisch statt prähistorisch
Riese von Cerne Abbas
Der Riese von Cerne Abbas aus der Luft gesehen. (Bild: National Trust)

Auf einem Hügel in der englischen Grafschaft Dorset thront ein 55 Meter großer, in den Kreideuntergrund gescharrter Riese. Wann dieses Kreidebild allerdings geschaffen wurde, war bislang unklar – die Spanne der Vermutungen reichte von der Steinzeit bis zum späten Mittelalter. Jetzt belegen neue Datierungen: Der Kreideriese von Cerne Abbas ist rund 1000 Jahre alt und stammt damit aus der Zeit der Angelsachsen.

Der Kreideriese von Cerne Abbas in der Grafschaft Dorset ist eine der bekanntesten Kreidefiguren Englands. Die rund 55 Meter hohe Figur eines Mannes mit einer Keule in der rechten Hand hebt sich als weißer Kreideumriss vom grünen Gras des Hügelhangs ab. Die rund 60 Zentimeter breiten Linien sind tief in die Grasnarbe eingeschnitten und mit hellem Kalkschotter ausgestreut. Sie müssen alle paar Jahre erneuert und von Pflanzenwuchs befreit werden, damit sie nicht zuwachsen.

Rätsel um Alter und Bedeutung

Anders als beim prähistorischen Scharrbild des weißen Pferdes von Uffington in Oxfordshire sind das Alter und die Bedeutung des Riesen von Cerne Abbas umstritten. Zuerst erwähnt wird der Kreideriese erst im Jahr 1694 in Aufzeichnungen eines Kirchenvorstehers, der von der Instandhaltung des „Riesen“ berichtet. Wie lange das Scharrbild zu diesem Zeitpunkt schon existierte, ist aber unbekannt. Einigen Hypothesen nach geht es auf die Kelten zurück, anderen zufolge wurde es erst nach der Eroberung Englands durch die Normannen im Jahr 1066 zu Ehren von Wilhelm dem Eroberer eingeritzt oder stellt den Kirchenreformer Oliver Cromwell dar. Auch Theorien, nach denen dieser Riese den Halbgott Herkules darstellt oder aber einen mythischen Riesen, werden diskutiert.

Jetzt haben modernste Methoden der Datierung mehr Aufschluss über das Alter des Kreideriesen gegeben. Ein Team um Phillip Toms von der University of Gloucestershire hat dafür Proben des Sediments an verschiedenen Stellen der Scharrlinien aus bis zu einem Meter Tiefe entnommen. Die Körnchen wurden anschließend einer optisch stimulierten Lumineszenzdatierung (OSL) unterzogen. Dabei werden die Minerale in den Körnchen durch Licht angeregt und geben daraufhin ihrerseits Photonen einer bestimmten Frequenz ab. Diese geben Aufschluss darüber, wann diese Minerale erstmals dem Sonnenlicht ausgesetzt waren. Im Falle des Scharrbilds verraten die Werte daher, wann die Umrisslinien des Riesen erstmals in die Grasnarbe geritzt wurden.

Aus der Zeit der Angelsachsen

Die Analysen ergaben: „Die archäologischen Schichten reichten überraschend tief – Menschen müssen dieses Scharrbild über eine sehr lange Zeit immer wieder erneuert haben“, erklärt der Archäologe Martin Papworth vom National Trust. „Die tiefsten Proben vom Ellbogen und den Füßen des Riesen verraten uns aber, dass er nicht vor der Zeit um 700 geschaffen worden sein kann. Damit schließt dies Theorien aus, nach denen er prähistorischen oder römischen Ursprungs sein soll.“ Der Kreideriese von Cerne Abbas ist damit definitiv kein Zeitgenosse des berühmten weißen Pferdes von Uffington.

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Stattdessen stammt der Riese von Cerne Abas den neuen Datierungen nach aus der angelsächsischen Zeit. „Dies verlegt den Ursprung des Scharrbilds in einen relativ dramatischen Teil der Geschichte von Cerne“, erklärt Papworth. Denn in dieser Zeit fand der Wechsel vom heidnischen zum christlichen Glauben statt. „Die nahegelegene Abtei von Cerne wurde im Jahr 987 gegründet und nach Annahme einiger geschah dies, um die hier wohnenden Menschen von der Anbetung eines frühen angelsächsischen Gottes namens ‚Heil‘ oder ‚Helith‘ abzubringen und sie zum Christentum zu bekehren.“ Nach Ansicht des Archäologen könnte dies nahelegen, dass der kurz vor dieser Zeit geschaffenen Kreideriese möglicherweise diesen angelsächsischen Gott darstellen sollte.

(Video: National Trust)

Zwischenzeitlich überwuchert?

Unklar ist allerdings noch, warum der Riese dann jahrhundertelang in keiner der mittelalterlichen Aufzeichnungen auftaucht. „Dokumente aus der Abtei von Cerne erwähnen den Riesen nicht. Im gesamten 16. Jahrhundert ist es, als wenn es diesen Riesen nicht gegeben hätte“, sagt Papworth. Er vermutet, dass das zu angelsächsischer Zeit in den Hügel gescharrte Bild nach der Konvertierung der lokalen Bevölkerung zum Christentum nicht mehr weitergepflegt und daher von Gras überwachsen und vergessen wurde. „Einige hundert Jahre später sahen die Leute – vielleicht bei tiefstehender Sonne – die schwachen Umrisse dieser Figur auf dem Hügel und entschieden sich dafür, ihn wieder freizuscharren“, so der Archäologe. „Das würde erklären, warum er in den Abtei-Aufzeichnungen oder den Dokumenten der Tudor-Ära nicht auftaucht.“

Gordon Bishop, Leiter der Cerne Historical Society ergänzt: „Diese Ergebnisse sind ebenso überraschend wie spannend. Was mich persönlich freut ist, dass diese Resultate der Hypothese ein Ende setzen, nach denen das Scharrbild erst im 17. Jahrhundert als Spottbild gegen Oliver Cromwell geschaffen wurde. Ich fand immer, dass dies den Kreideriesen herabwürdigt“, so Bishop. Jetzt zeige sich dagegen, dass dieser Riese wahrscheinlich eine religiöse Bedeutung gehabt haben könnte, wenn auch eine heidnische. „Es gibt offensichtlich in den nächsten Jahren noch eine Mengen zu tun für uns“. Ähnlich sieht es auch der Archäologe Martin Papworth: „Künftige Forschung könnte uns verraten, wie sich der Riese im Laufe der Zeit verändert hat und ob unsere Theorie der ‚verlorenen Jahre‘ stimmt. Der Kreideriese hat noch immer viele seiner Geheimnisse bewahrt.“

Quelle: National Trust

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