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„Leseland“ DDR?

Geschichte|Archäologie

„Leseland“ DDR?

Auch wenn sich die DDR gern als Leseland gab, so war der Bürger nicht frei in der Wahl seiner Lektüre; und auch die Schriftsteller sahen sich Einschränkungen gegenüber. Es existierte eine doppelte Zensur: zum einen der staatliche Zensor, der anhand politischer Vorgaben festlegte, was den DDR-Bürger erreichen durfte bzw. was ihn in seiner politischen und geistigen Normierung gefährden könnte.

Zum anderen existierte jedoch auch die in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende „Schere im Kopf “. Die Autoren konnten zumindest ahnen, wo die Grenzen staatlichen Wohlwollens lagen. Wer diese nicht beachtete, musste damit rechnen, dass seine Werke in der DDR nicht veröffentlicht wurden. Im Extremfall konnten ein paar unveröffentlichte regimekritische Gedichte mit mehrmonatigen oder gar mehrjährigen Gefängnisaufenthalten geahndet werden. So schrieb mancher „für die Schublade“. Auch diese Schubladentexte gehören selbstverständlich zur Literaturgeschichte. Doch wie können sie für die Nachwelt gesichert werden?

An diesem Punkt setzt ein Projekt an, das auf Initiative des Hannah-Arendt-Instituts in Dresden bzw. des Autorenkreises der Bundesrepublik Deutschland von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur vier Jahre finanziert wurde. Leiter des Projektes, an dessen Ende der Aufbau des „Archivs unterdrückter Literatur in der DDR“ stand, waren Ines Geipel und Joachim Walther, beide Germanisten und ausgewiesene Kenner der ostdeutschen Literatur.

Sie orientierten sich in ihrer Arbeit an folgenden formalen Kriterien: Die Texte müssen in der DDR entstanden und dort unveröffentlicht geblieben sein bzw. die Autorschaft muss systematisch verschwiegen worden sein. Bedingung ist zudem, dass die Texte auch später im Westen nicht wahrgenommen wurden. Schließlich wurden auch Werkergänzungen aufgenommen, wenn es zuvor nur entpolitisierte Teilveröffentlichungen gegeben hat.

Die inhaltliche Relevanz der Texte wurde gemessen an deren literarischer Eigenständigkeit, der Repräsentativität und Besonderheit des jeweiligen literarischen Schaffens sowie der Aussagekraft bezüglich der spezifischen Schreibbedingungen für Autoren in der DDR.

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Die Projektbearbeiter machten in teils mühseliger Kleinarbeit Dichter und Literaten ausfindig, die in der DDR nicht publizieren konnten. Bislang wurden etwa 70000 Manuskriptseiten mit unbekannten Texten aller Genres – also Prosa, Lyrik, Dramatik – von nahezu 100 Autoren ausfindig und für die Öffentlichkeit durch die Übergabe an das Archiv der Bundesstiftung zugänglich gemacht.

Darüber hinaus wurden mit den Autoren Tonbandinterviews geführt, um den biographischen und historischen Kontext besser erfassen zu können. Ziel war es letztlich, den Kanon der offiziellen DDR-Literatur in Frage zu stellen. Selbstverständlich war ebenso intendiert, den ehemals unterdrückten Autoren auf diesem Weg moralische Rehabilitierung widerfahren zu lassen.

Das Projekt richtet sich nicht nur gegen das Vergessen; es gilt, Tatsachen, die wegen staatlicher Repression gar nicht im kollektiven Gedächtnis sein können, für die Nachwelt zu bewahren und so überhaupt erst wahrnehmbar zu machen. In der Büchergilde Gutenberg sind inzwischen zehn Bände der Reihe „Die verschwiegene Bibliothek“ mit „unterdrückter Literatur“ erschienen (http://www.buechergilde.de).

Quelle: Dr. Matthias Buchholz
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