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Mit Elchzähnen geschmückt begraben

Steinzeit

Mit Elchzähnen geschmückt begraben
Insgesamt 90 Elchzähne wurden bei einer Toten aus dem Gräberfeld der Insel Yuzhniy Oleniy Ostrov entdeckt. Unter anderem waren sie vermutlich an einem schürzenähnlichen Kleidungsstück befestigt. (Bild: Zeichnung von Tom Bjorklund)

Elchzähne besaßen offenbar eine große Bedeutung für ein steinzeitliches Volk im heutigen Nordwestrussland. Davon zeugen tausende von Funden in einem Gräberfeld auf einer Insel im Onegasee. Dort wurden vor etwa 8200 Jahren die Toten mit Kleidungstücken bestattet, die teils üppig mit Elchzahn-Anhängern verziert waren, berichtet die Universität Helsinki. Im Gegensatz zu anderen Völkern der Zeit durchbohrten die Menschen dieser Jäger-und-Sammler-Gesellschaft die Zähne nicht, sondern versahen sie mit Einkerbungen zur Aufhängung. Möglicherweise war dies eine Art Markenzeichen des Volks vom Onegasee.

Viele archäologische und ethnografische Forschungen dokumentieren, dass Menschen schon seit Urzeiten und überall auf der Welt bestimmte Objekte als Schmuck- oder Symbol-Elemente verwendet haben. Auch in den Kulturen der steinzeitlichen Jäger-und-Sammler-Völker Eurasiens spielten sie eine wichtige Rolle. Unter anderem waren die Zähne verschiedener Tierarten beliebte Schmuckgegenstände dieser prähistorischen Menschen. Bei einem der Fundorte, die dies eindrucksvoll belegen, handelt es sich um ein steinzeitliches Gräberfeld auf der kleinen Insel Yuzhniy Oleniy Ostrov im Onegasee in der russischen Republik Karelien.

Eine Vorliebe für Elchzähne

Dort wurden den Datierungen zufolge im Zeitfenster vor 8250 bis 8000 Jahren zahlreiche Männer, Frauen und Kinder unterschiedlichen Alters bestattet. Archäologen haben in den Gräbern neben vielen Beigaben Tausende von Tierzähnen im Zusammenhang mit den Skeletten entdeckt. Sie lagern heute in der anthropologischen Sammlung der Kunstkammer in Sankt Petersburg. Nun haben die Forscher um Kristiina Mannermaa von der Universität Helsinki diesem besonderen Schatz aus insgesamt 84 Gräbern eine genauere Untersuchung gewidmet.

Wie sie berichten, stammen die Zähne überwiegend von Elchen (Alces alces). „Obwohl es in den Gräbern auch Anhänger aus Biber- und Bärenzähnen gab, ist der Anteil an Elchzähnen überwältigend hoch“, berichtet Mannermaa. Es handelt sich um die Schneidezähne der Tiere, von denen ein Individuum jeweils acht besitzt. Sie wurden offenbar als Anhänger an Kleidung und Accessoires wie Mänteln, Umhängen, Kopfbedeckungen und Gürteln angebracht.

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Obwohl keine Überreste dieser Bekleidungsmaterialien erhalten geblieben sind, geht die Verwendung der Elchzähne aus ihrer Lage im Bereich der Skelette hervor. Für die größten Schmuckelemente wurden die Zähne von mindestens 8 bis 18 Elchen benötigt, berichtet die Universität Helsinki. Die meisten der Zähne wurden in den Gräbern von jungen erwachsenen Frauen und Männern gefunden. Dies legt nahe: Der Elchzahnschmuck könnte mit dem Alter verbunden gewesen sein – möglicherweise speziell mit der Zeit der höchsten Reproduktionsrate.

„Das Volk der gerillten Elchzahn-Anhänger“

Im Fokus von Mannermaa und ihren Kollegen stand auch die Herstellungstechnik sowie die Art und Weise, wie die Zähne zur Befestigung oder Aufhängung bearbeitet worden waren. Wie sie berichten, war das Verfahren weitgehend identisch: Es wurden eine oder mehrere kleine Rillen in den Bereich der Wurzelspitze eingeritzt, um eine Halterung für Bänder herzustellen. Bei dieser Technik handelt es sich um eine Besonderheit, betonen die Wissenschaftler: Die Zahnanhänger, die in Gräbern im baltischen Raum und in Skandinavien aus der gleichen Zeit gefunden wurden, sind fast ausschließlich durchbohrt. Von den tausenden von Zähnen aus den Gräbern von Yuzhniy Oleniy Ostrov waren hingegen nur zwei Zähne auf diese Weise bearbeitet worden. Diese zwei Ausnahmen stammten aus einem Grab, in dem eine Frau bestattet worden war.

Wie die Wissenschaftler erklären, könnte es sich bei den gerillten Elchzahn-Anhängern um eine Art Markenzeichen der Jäger-und-Sammler-Gesellschaft gehandelt haben, die ihre Toten auf der Insel bestattete. Denn für viele indigene Völker Eurasiens waren und sind spezielle Schmuckelemente ein wichtiges Mittel, um ihre Identität und Zugehörigkeit zu verdeutlichen, schreibt die Universität Helsinki. Sie sind dadurch nicht nur ästhetische Elemente, sondern stehen auch im Zusammenhang mit der Kommunikation zwischen den Gemeinschaften und der Stärkung der innergemeinschaftlichen Einheit. Solche Ornamente können auch die Namen beeinflussen, die benachbarte Gruppen verwenden, um auf eine Gemeinschaft zu verweisen. Vor diesem Hintergrund nennt Kristiina Mannermaa die prähistorische Gemeinschaft vom Onegasee nun auch „Das Volk der gerillten Elchzahn-Anhänger“.

Quelle: Universität Helsinki, Fachartikel: Archaeological and Anthropological Sciences, doi: 10.1007/s12520-020-01237-5

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