Haarausfall, Hautirritationen oder Harnwegserkrankungen: Diese Probleme bekämpften Kräuterkundige auf Mallorca vor über 1000 Jahren offenbar durch Farnkraut-Tränke, legen Spuren im Zahnstein eines mittelalterlichen Mannes nahe. Die Studienergebnisse basieren auf der Untersuchung der Überreste eines 20 bis 30 Jahre alten Mannes, der im 9. bis 10. Jahrhundert in der Nekropole von Can Reiners auf der Baleareninsel beerdigt worden war.
Wie die Forscher um Elena Fiorin von der Universität York berichten, haben sich im Zahnstein dieses Mannes Spuren der Substanzen erhalten, die er einst zu sich genommen hat. Wie zu erwarten war, stießen die Wissenschaftler bei ihren Analysen auf Rückstände von Stärkekörnern, die aus Nahrungspflanzen wie Weizen und Roggen stammen. Daneben entdeckten sie allerdings auch Partikel, die einen zunächst überraschend wirkenden Ursprung haben: Es handelte sich um die Überreste von Zellen, in denen sich die Sporen von Farnblättern bilden.
Farn-Spuren im Zahnstein
Wie die Forscher betonen, gibt es keine Hinweise darauf, dass Farnblätter jemals zur menschlichen Ernährung gedient haben. Die einzig plausible Erklärung lautet ihnen zufolge deshalb: Es handelt sich bei dem Befund um den frühesten direkten Nachweis einer medizinischen Behandlung durch Farn-Präparate. Die Literaturrecherche der Wissenschaftler belegt, dass der Einsatz dieser Pflanzen eine lange Tradition in der Volksmedizin hat: Es gibt Überlieferungen, die bis ins erste Jahrhundert nach Christus reichen, wonach Farnblätter verwendet wurden, um lästige, aber nicht lebensbedrohliche körperliche Beschwerden zu behandeln. “Bisher gab es aber nur schriftliche Dokumente, die eine Verwendung von Farnen dokumentierten“, sagt Fiorin.
Den Forschern zufolge war bislang auch unklar, welche Farnarten in der mittelalterlichen Volksmedizin zum Einsatz kamen. Im Fall des Mannes aus Mallorca konnten sie die Spuren nun dem Braunstieligen Streifenfarn (Asplenium trichomanes) zuordnen, der weltweit in felsigen Regionen vorkommt. Vermutlich hat der Mann das Pflanzenmaterial in der Form eines Tranks zu sich genommen. Aus Überlieferungen ist bekannt, dass Kräuterkundige einst Aufgüsse aus frischen oder getrockneten Farnblättern herstellten. Manchmal wurde das Gebräu anschließend auch mit Orangenblüten oder Honig verfeinert, geht aus den historischen Texten hervor.
Was sollte der Trank bewirken?
Wie die Forscher erklären, konnten sie an den Überresten des Mannes keine klaren Hinweise auf den Grund der Behandlung feststellen. Doch wie die Überlieferungen nahelegen, diente der Trank vermutlich auch nicht als Medikament gegen ein schweres Leiden. Denn Farnblätter wurden vor allem zur Behandlung von Hautproblemen, Haarausfall oder Harnwegserkrankungen eingesetzt, sagen die Wissenschaftler. Daneben wurden dem Kraut auch Wirkungen bei Menstruationsstörungen zugeschrieben – doch im konkreten Fall kommt diese Indikation wohl kaum in Frage.
„Die Erkenntnisse aus den Zahnresten dieses Skeletts zeigen, wie viele Informationen wir aus der Zahnsteinanalyse erhalten können. In diesem Fall handelt es sich um interessante Einblicke in die Volksmedizin der Menschen dieser Region zur Zeit des Mittelalters. Aufbauend auf diesem Ergebnis sollten wir nun weiter im Zahnstein bei menschlichen Überresten nach Hinweisen über den historischen Einsatz medizinischer Kräuter suchen“, resümiert Fiorin.