Es ist keine Seltenheit, dass sich manch ein Besucher mitten im Kaiserpfalzgebiet in Ingelheim fragt: „Wo ist denn nun die Kaiserpfalz?“ Denn das Gelände der Kaiserpfalz ist heute vollständig überbaut. Seit dem späten 14. Jahrhundert wich die Pfalz kontinuierlich zugunsten der modernen Stadtentwicklung. Einzelne eindrucksvolle Denkmäler, wie die Aula regia, der Thronsaal Karls des Großen, sind in Teilen erhalten geblieben, doch insbesondere die Gesamtgröße und Topographie sind inmitten der Häuser nur unzureichend wahrnehmbar. Weil wegen der Neubebauung keine vollständige Rekonstruktion der alten Gebäude mehr möglich war, beschreiten die Kaiserpfalz Ingelheim und deren Forschungsstelle schon seit 2002 neue und innovative Wege, um dem Besucher die Ausmaße und Funktionen der Kaiserpfalz vor Augen zu führen.
Nun wurde das Angebot an digitalen Informationsmöglichkeiten um neue Bausteine erweitert: Der Besucher hat jetzt die Möglichkeit, die Rekonstruktion der kompletten Kaiserpfalz im Besucherzentrum virtuell zu besichtigen. An Computern kann man alle Bauteile der Pfalz um das Jahr 800 mit der Maus anklicken und mehr zur Herkunft des Baumaterials, zur Funktion des Bauteils oder zur Rekonstruktionswahrscheinlichkeit erfahren, die die Wissenschaftler vermuten. Denn von den einst mächtigen Gebäuden der Kaiserpfalz sind heute nur noch wenige, aber eindrucksvolle Reste erhalten. Da der größere Teil der Anlage jedoch als Fundament unter der Erde liegt, erlauben es die archäologischen Grabungen, die Gesamtanlage zu rekonstruieren.
Im Früh- und Hochmittelalter war eine Pfalz ein Stützpunkt für den herumreisenden König, der nicht von einer Hauptstadt aus regierte, sondern möglichst immer „vor Ort“ war, um den persönlichen Kontakt zu seinen Vasallen zu halten. Die Kaiserpfalz Ingelheim diente den Herrschergeschlechtern der Karolinger, der Ottonen und Salier sowie der Staufer als Stützpunkt, um ihr Reich zu verwalten.