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Nichts ist so dauerhaft wie ein Loch

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Nichts ist so dauerhaft wie ein Loch

Vor genau 111 Jahren, am 19. Juni 1899, begann in Haltern am See (Kreis Recklinghausen) die erste archäologische Untersuchung der römischen Militäranlagen. Heute gilt der Fundort Haltern als der größte und am besten erforschte Militärstandort des gesamten Römischen Reiches aus der Zeit um Christi Geburt. Hier wurde auch die moderne Ausgrabungstechnik zu international gültigen Standards weiterentwickelt. „Haltern hat während der Okkupationsphase unter Kaiser Augustus eine ganz besondere Rolle gespielt. Nach den neuesten Untersuchungen, auch im Zusammenhang mit dem 2000-jährigen Jubiläum der Varusschlacht im vergangenen Jahr, sind wir sicher, das sich hier die militärische Schaltstelle für die Eroberung Germaniens befand, hier sollte auch der Hauptort der neu zu gründenden Provinz entstehen. Dazu kam es dann nach der Niederlage in der Varus-Schlacht bekanntermaßen nicht“, fasst Dr. Rudolf Aßkamp, Leiter der Provinzialrömischen Archäologie und des LWL-Römermuseums des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), den aktuellen Forschungsstand zusammen.

Seit der ersten Ausgrabung wird in Haltern am See mit Unterbrechungen gegraben. Mindestens sieben Militäranlagen haben die Ausgräber in den vergangenen 111 Jahren dokumentiert. Dazu gehören nördlich der Lippe das Hauptlager, mehrere Marsch- und Feldlager sowie eine Töpferei und ein Gräberfeld, auf dem Annaberg das Kastell und am Lippeufer eine Marinebasis.

Initiatoren der ersten Ausgrabung vom 19. bis 24. Juni 1899 waren der archäologisch interessierte Halteraner Sanitätsrat Dr. Alexander Conrads und der erste Geschäftsführer und Vorsitzender der gerade gegründeten Altertumskommission für Westfalen Dr. Friedrich Philippi. Als Grabungsleiter konnten sie Prof. Carl Schuchhardt, einen der führenden Altertumswissenschaftler in Deutschland, gewinnen. Die Archäologen setzten ihren Spaten auf dem Annaberg an, wo der preußische Major Friedrich Wilhelm Schmidt schon 1838 ein römisches Kastell lokalisiert hatte. Die Ausgräber stießen in den fünf Tagen auf einen Graben, dessen Verlauf in einer weiteren Kampagne im Herbst 1899 zu einer dreieckigen Umwehrungsanlage vervollständigt werden konnte.

Schon im folgenden Jahr und mit Unterbrechungen bis heute folgten größere und kleinere Gra-bungskampagnen. Nach der Einführung des Denkmalschutzgesetzes in Nordrhein-Westfalen 1980 wurde das ganze Gebiet im Jahre 1987 unter Schutz gestellt. Seitdem untersucht die LWL-Archäologie für Westfalen nur noch gezielt die Stellen, die durch Baumaßnahmen von Zerstörung bedroht sind. So ist zum Beispiel vom 17 Hektar großen Hauptlager rund ein Viertel inzwischen untersucht.

Infolge der sehr guten Datierbarkeit und der schnellen Veröffentlichung des Fundmaterials wurde Haltern in der Fachwelt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Bezugsorte bei der Datierung zeitgleicher Fundstellen in Europa sowie in Nordafrika und Vorderasien. „Jeder auf die Römerzeit spezialisierte Wissenschaftler in der ganzen Welt kennt den „Haltern-Horizont“, unterstreicht der Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen, Prof. Dr. Michael M. Rind, die wissenschaftliche Bedeutung des Ortes.

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„Haltern hat für die Archäologie als Wissenschaft daneben noch eine weitere, in der Öffentlichkeit weit weniger bekannte Bedeutung“, stellt LWL-Chefarchäologe Rind zum Ausgrabungsjubiläum heraus, „denn die Ausgräber verhalfen hier der modernen Ausgrabungstechnik zum Durchbruch. Der Archäologe und Sachbuchautor Rudolf Pörtner hat das 1961 treffend formuliert, als er schrieb: „Erst seit Haltern weiß man, das nichts so dauerhaft ist wie ein Loch und daß Erdverfärbungen im Boden der gleiche urkundliche Wert zukommt wie den Handschriften der Historiker“.

Am Ende des 19. Jahrhunderts hatten Archäologen bei den Ausgrabungen des Limes in Süd-deutschland herausgefunden, dass Verfärbungen im Boden Reste menschlicher Aktivität sein können: nämlich die Reste von Pfosten und Gruben, Gräben oder ganzen Häusern. Diese galt es fortan sichtbar zu machen und interpretieren zu lernen. Der sandige Boden in Haltern war dafür ideal geeignet und es gelang, ganze Grundrisse von Gebäuden im Lager sowie die Befestigungsgräben zu erkennen. Die Methode wurde von den Archäologen in der ganzen Welt übernommen und weiterentwickelt und gehört schon lange zum Standard jeder Ausgrabung.

Schon die ersten Ausgrabungen vor 111 Jahren fanden großes öffentliches Interesse und bereits ein Jahr später, 1900, richtete der damalige Verein für Geschichts- und Altertumskunde zu Haltern in Westfalen für die vielen Funde vor Ort ein provisorisches Museum in der alten Rektoratsschule ein. 1906 wurde mit dem Bau eines eigenen Museums begonnen und am 12. August 1907 als „Römisch-Germanisches Museum“ eröffnet. Am 9. März 1945 wurde es bei einem Bombenangriff vollständig zerstört. Dabei ging auch ungefähr ein Drittel der Funde verloren. Nach dem Krieg konnte die Stadt Haltern 1954 ein provisorisches Museum wieder einrichten, es musste allerdings immer wieder umziehen.

Mehrere Initiativen für eine dauerhafte Lösung mündeten 1985 in einem tragfähigen Konzept und so beschloss der Landschaftsausschuss des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe den Neubau. Das LWL-Römermuseum wurde am 25. November 1993 eröffnet. Es befindet sich auf dem Areal des römerzeitlichen Feldlagers und erinnert mit seinen Spitzdächern an die Zeltdächer der Legionäre.

Am 11. und 12. September finden hier die Römertage statt. Dann sind alle Besucher eingeladen den Alltag der römischen Legionäre hautnah zu erleben.

Quelle: Dr. Yasmine Freigang, LWL-Archäologie für Westfalen
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