Seit seinem Fund im Jahr 1991 avancierte die Eismumie des Gletschermannes Ötzi zu einem Objekt intensivster Forschung. Der vor etwa 5.300 Jahren in den Ötztaler Alpen verstorbene Mann hat dadurch bereits viele Geheimnisse preisgegeben: beispielsweise über seine genetische Herkunft, Ernährung, Lebensweise und seinen Gesundheitszustand. Die Umstände des Todes des vermutlich zwischen 40 und 50 Jahre alten Mannes bleiben indes geheimnisumwittert: Letztlich starb er wohl an den Folgen einer Pfeilschuss-Verletzung.
Dem tierischen Erbgut auf der Spur
Auch mit den Merkmalen der Kleidung Ötzis haben sich Forscher bereits intensiv beschäftigt. Es handelte sich um Kombinationen von pflanzlichen und tierischen Materialien. Von welchen Tierarten die Leder- und Fell-Teile stammten, galt bisher allerdings als nicht abschließend geklärt. Dieser Frage haben sich nun die Forscher um Niall J. O’Sullivan von der Europäische Akademie Bozen erneut detailliert gewidmet. Sie führten dazu genetische Untersuchungen von neun Leder- beziehungsweise Fellproben durch. Im Fokus stand dabei die Charakterisierung der sogenannten mitochondrialen DNA. Dieses Erbgut der Kraftwerke der Zellen ist oft auch noch in fossilen Überresten gut erhalten und lässt Rückschlüsse auf die Artzugehörigkeit und die Entwicklungsgeschichte von Lebewesen zu.
Die genetischen Vergleiche ergaben: Die untersuchten tierischen Teile stammten von drei Nutzierarten: Rind, Ziege und Schaf, sowie von zwei Wildtieren: Reh und Braunbär. Obwohl es sich bei Ötzi um einen Mann handelte, der bereits einer Kultur von Ackerbauern und Viehzüchtern angehörte, spielte demnach auch die Jagd auf Wildtiere noch eine wichtige Rolle als Quelle von Rohstoffen. Neu ist in diesem Zusammenhang, dass der Köcher des Mannes aus dem Eis nicht wie bisher angenommen aus Gämsenleder hergestellt worden war, sondern aus Rehleder. Eine Probe vom Lendenschurz widerlegt ebenfalls eine bisherige Annahme: Er war aus Schafsleder und nicht aus Ziegenleder gemacht. Ebenfalls nachweisen konnten die Forscher erstmals klar, dass ein Schnürriemenstück eines Schuhs vom Rind stammt.
Ötzis Mantel und „Leggings“ im Blick
O’Sullivan und seine Kollegen fanden außerdem neue Details zur Machart des Mantels von Ötzi heraus: Er war offenbar aus mindestens vier unterschiedlichen Häuten von zwei Nutztierarten zusammengenäht worden: aus Schafs und Ziegenleder. Die enge Hose des Gletschermanns war hingegen nur aus Ziegenleder gefertigt, berichten die Forscher.
Die genetische Untersuchung der Bekleidungsreste ergab neben der Bestimmung der Tierarten auch Einblicke in die Geschichte der Domestikation, die zur Zeit Ötzis – vor über 5000 Jahren – bereits seit langem entwickelt war. Das Erbgut der domestizierten Tiere, die zu der Kleidung des Gletschermannes beigetragen hatten zeigte: Sie gehörten bereits genetischen Gruppen an, die auch heute noch in den europäischen Populationen verbreitet sind. Auch über den Bären, dessen Fell Ötzis Mütze bildete, fanden die Forscher etwas heraus: Er entstammte einer westeuropäischen Linie.