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Ohne Geld keine Kooperation

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Ohne Geld keine Kooperation
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Geld beinflusst unser MIteinander (rhinkstock)
Ohne Geld wäre unsere moderne Gesellschaft nicht vorstellbar: Es ermöglicht den Handel über Kontinente hinweg und bildet die Basis für unser gesamtes Wirtschaftssystem. Wie aber prägt die Existenz des Geldes als Maß für den Wert einer Sache unser Sozialverhalten? Fördert oder verhindert es beispielsweise die Kooperation? Diese Frage hat ein internationales Forscherteam jetzt in einem Spielexperiment untersucht. Dabei zeigte sich: In kleinen Gruppen macht Geld keinen Unterschied, wohl aber in großen. Denn wenn wir vorwiegend mit Fremden interagieren, kann ein Geldsystem dazu beitragen, die Kooperation zu sichern.

“Menschen haben einen Großteil ihrer Entwicklung in kleinen Gruppen von Jägern und Sammlern verbracht”, erklären Gabriele Camera von der Chapman University in Orange und ihre Kollegen. Das Überleben unserer Vorfahren hing damals von der Kooperation in ihrer Gruppe ab. Nur wenn sie sich gegenseitig halfen, konnten sie ausreichend Nahrung finden und gefährliche Situationen meistern. Diese Erfahrungen prägten und formten nach gängiger Theorie unser Verhalten und insbesondere die Bereitschaft zur Kooperation bis heute. Inzwischen jedoch leben wir längst nicht mehr in überschaubaren Gemeinschaften, in denen jeder jeden kennt. Stattdessen ist unser Alltag vom Umgang mit weitgehend Fremden geprägt, egal ob beim Einkauf im Supermarkt, im Bus oder im Theater. “Diese für unsere industrialisierte Gesellschaft typischen unpersönlichen Interaktionen stehen in starkem Kontrast zu denen unserer Vorfahren”, so die Forscher.

Wie beeinflusst Geld die Kooperation?

Camera und ihre Kollegen haben nun mit Hilfe eines Spielexperiments zwei Fragen untersucht: Zum einen, ob Menschen in größeren, anonymen Gruppen genauso viel kooperieren wie in kleinen überschaubaren. Und zum anderen, wie Geld oder ein ähnliches Wertsystem dieses soziale Verhalten beeinflusst. “Warum gerade Geld? Ganz einfach: Wenn es eine Lektion aus den aktuellen Finanzkrisen gibt, dann die, dass moderne Gesellschaften Geld benötigen, um zu funktionieren”, erklären die Wissenschaftler. Breche das auf Geld beruhende System zusammen, habe das verheerende Konsequenzen nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Gesellschaft. Es sei daher wichtig zu verstehen, wie Geld unser soziales Verhalten präge.

An dem Experiment der Forscher nahmen 448 Studentinnen und Studenten teil. In jedem der fünf Durchgänge bekam jeder Teilnehmer die gleiche Menge Punkte zugeteilt, das am Spielende in echtes Geld umgetauscht werden konnte. Jeder Proband spielte mit einem ihm unbekannten, nur über Computer erreichbaren Partner. Er sollte entscheiden, ob er seinem Gegenüber hilft oder nicht. Für das Helfen büßte er Punkte ein, der Empfänger bekam dagegen zusätzlich zur Spende seines Partners noch einen Zuschuss vom Spielleiter. Um nun herauszufinden, welchen Einfluss die Gruppengröße auf die Hilfsbereitschaft hat, fassten die Forscher die Probanden zunächst zu kleinen Gruppen von zwei bis acht Teilnehmern, dann zu Gruppen von 32 zusammen. Am Ende jedes Durchgangs erfuhren alle Teilnehmer, wie viele in ihrer Gruppe kooperiert und wie viele sich geweigert hatten. Die Auswertung ergab: Je größer die Gruppe, desto unkooperativer wurden die Probanden. Entschieden sich anfangs noch gut 70 Prozent zum Helfen, waren es in der großen Gruppe nur noch 28 Prozent.

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Handel statt selbstloser Hilfe

Dann aber brachten die Forscher eine Art Geldsystem in Form einer Marke ins Spiel. Diese war für sich genommen völlig wertlos und konnte auch nicht in Geld umgetauscht werden. Aber: Die Probanden konnten sich gegen Übergabe eines solchen “Tokens” die Hilfe ihres Gegenübers erkaufen. Dieser konnte wiederum entscheiden, ob er freiwillig half, oder ob er stattdessen handelte und ein Token als Gegenleistung einforderte. “Das bewirkte dramatische Unterschiede im Verhalten”, berichten die Forscher: War Geld im Spiel, wurde kaum noch uneigennützig geholfen. Sowohl in den kleinen wie in den großen Gruppen forderte nun die Hälfte der potenziellen Helfer ein Token, fast der gesamte Rest weigerte sich, mit seinem Gegenüber zu kooperieren. Nach Ansicht der Forscher zeigt dies zweierlei: Geld – oder in diesem Fall das Tokensystem – sorgt dafür, dass auch in großen Gruppen weiterhin kooperiert wird. Denn in der großen Gruppe halfen immerhin drei Mal so viele Spieler wie ohne die Tokens – wenn auch für Gegenleistung.

“Die wertlosen Tokens fungieren als eine Art Katalysator für Kooperation”, erklären Camera und ihre Kollegen. Sie erhalten ihren Wert nur dadurch, dass die Spieler glauben, durch sie ihre eigene Chance auf Hilfe künftig zu erhöhen. Denn hat ein Helfer als Gegenwert eine dieser Marken bekommen, kann er damit anderen zeigen, dass er ein Helfer und damit ein geeigneter Kooperationspartner ist. “Wenn das Vertrauen fehlt, weil der Gegenüber unbekannt ist, dann dient der Austausch der Tokens gegen Kooperation als Ersatz”, so die Forscher. Er dient damit als eine Art übergeordnete Institution, die den Umgang auch mit Fremden kontrolliert und subjektiv sicherer macht.

Und genau diesen Effekt hat nach Ansicht der Autoren auch das Geld in unserer Gesellschaft. Auch die Währungen sind heutzutage für sich genommen wertlos, da sie weitestgehend von Gold oder anderen Reserven abgekoppelt sind. Ihr Wert beruht auf einem ausgehandelten System, das die Interaktion zwischen Fremden erleichtert. Der Verlust des Vertrauens in großen Gruppen mache ein Geldsystem essenziell – und das weit über die rein wirtschaftliche Funktion des Geldes hinaus, konstatieren die Forscher.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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