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Osterinsel: Kultur-Kollaps erst nach Ankunft der Europäer?

Geschichte|Archäologie

Osterinsel: Kultur-Kollaps erst nach Ankunft der Europäer?
Moai
Steinplattform und Moai in Ahu Nau Nau auf der Osterinsel. (Bild: Robert DiNapoli)

Riesige Steinfiguren, massive Ritual-Plattformen: Die Kultur der Rapa Nui auf der Osterinsel gibt bis heute Rätsel auf – auch weil sie schon vor Ankunft der ersten Europäer kollabiert sein soll. Doch nun weckt eine neue Studie Zweifel an diesem Szenario. Denn historische Dokumente und Indizien einer anhaltenden Bautätigkeit der Rapa Nui sprechen gegen einen solchen Kollaps. Stattdessen scheint der Niedergang der Kultur erst nach dem Kontakt mit den Europäern begonnen zu haben.

Die Osterinsel liegt relativ isoliert mitten im Pazifik – rund 2000 Kilometer von der nächsten polynesischen Insel und 3000 Kilometer von Südamerika entfernt. Sie wurde daher erst im 13. Jahrhundert von polynesischen Seefahrern besiedelt. Diese begannen damals relativ schnell, die Insel nach ihren Bedürfnissen umzugestalten und entwickelten eine ganz eigene Kultur. Die Rapa Nui, wie diese Bewohner der Osterinsel genannt werden, errichteten massive Steinplattformen, auf denen sie riesige, menschenähnliche Steinfiguren aufstellten. Diese Moai dienten wahrscheinlich rituellen Zwecken.

Kollaps schon um 1600?

Gängiger Lehrmeinung nach führten die intensive Rodung von Bäumen und eine Übernutzung der Landflächen durch die Rapa Nui dazu, dass es zu verstärkter Erosion, Nahrungsmangel und damit verbunden zu einem Kollaps der Osterinsel-Kultur kam. Schon um 1600 – und damit lange vor Ankunft der ersten Europäer – soll in Folge dieser sozialen, kulturellen und ökologischen Katastrophe auch der Bau neuer Steinfiguren und Plattformen aufgehört haben. „Der allgemeinen Ansicht nach war die Gesellschaft der Rapa Nui schon kollabiert, als die ersten Europäer sie zu Gesicht bekamen“, erklärt Robert DiNapoli von der University of Oregon.

Ob diese Annahme stimmt, haben DiNapoli und seine Kollegen nun mithilfe einer neuen Analyse der vorhandenen Radiokarbondatierungen, den geologischen und physikalischen Daten rund um die Steinplattformen und auf Basis historischer Aufzeichnungen überprüft. „Gruppen solcher Daten mithilfe fortgeschrittener statistischer Analysen auf Muster hin zu untersuchen ist für und Archäologen erst seit kurzem möglich“, erklärt Co-Autor Carl Lipo von der Binghamton University. „Wir nutzen diese Methode, um erstmals die Geschichte des Plattformbaus auf der Osterinsel zu rekonstruieren.“

Neubauten noch nach Ankunft der ersten Europäer

Die Auswertungen ergaben Überraschendes. Denn entgegen der gängigen Lehrmeinung bauten die Rapa Nui auch nach 1600 noch neue Steinplattformen. „Wir haben herausgefunden, dass die Menschen schon kurz nach ihrer Ankunft auf der Insel mit dem Bau dieser Steinmonumente begannen“, sagt Lipo. „Dann führten sie diese Arbeiten bis in die Zeit hinein fort, als ab 1722 die ersten Europäer ankamen.“ Den Datierungen zufolge hielt der Bau der Steinplattformen mindestens bis 1750 an, wie die Forscher berichten. Ein Kollaps der Rapa-Nui-Kultur um 1600 ließ sich in ihren Daten dagegen nicht nachvollziehen.

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„Unsere Ergebnisse demonstrieren ein Fehlen jedes Belegs für einen Kollaps vor dem ersten Kontakt mit Europäern“, konstatieren die Archäologen. Stattdessen muss die Gesellschaft der Rapa Nui noch bis Mitte des 18. Jahrhunderts weitgehend intakt und florierend gewesen sein. Gestützt wird dies auch von frühen historischen Dokumenten niederländischer Seefahrer, die 1722 die Ostersinel erreichten. Ihre Beschreibungen der Gebräuche und Rituale der Einheimischen geben keinerlei Hinweis auf einen soziale Zerfall der Rapa Nui. Ähnliches gelte für Berichte von spanische Seefahrern aus dem Jahr 1770. „Ihre Aufenthalte auf der Insel waren nur kurz und ihre Beschreibungen eher knapp. Aber sie liefern uns dennoch nützliche Informationen“, sagt DiNapoli.

Doch kurz nach den Besuchen der Spanier kam es offenbar zu drastischen Veränderungen bei den Bewohnern der Osterinsel: Als der britischen Seefahrer James Cook im Jahr 1774 die Osterinsel erreichte, traf er eine Kultur an, die deutliche Spuren einer Krise zeigte. „Nachdem die Europäer einmal auf der Insel eingetroffen waren, gibt es viele dokumentierte Ereignisse wie Seuchen, Mord, Sklaventreiberei und andere Konflikte“, berichtet Lipo. Doch diese Ereignisse seien auf äußerliche Einflüsse zurückzuführen. „Wir interpretieren unsere Ergebnisse und die historischen Zeugnisse so, dass es keinen Kollaps der Monument-Konstruktion vor Ankunft der Europäer gab“, sagt DiNapoli.

Quelle: University of Oregon; Fachartikel: Journal of Archaeological Science, doi: 10.1016/j.jas.2020.105094

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