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Pionier im Kampf gegen Rassismus

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Pionier im Kampf gegen Rassismus
Nikolai Miklucho-Maclay (links) und Ernst Haeckel (rechts) in den 1860ern. (Foto: Sammlung Hoßfeld)

Mit wissenschaftlichen Argumenten sprach er sich schon im 19. Jahrhundert gegen den Rassismus aus: Zwei Historiker rücken den Anthropologen Nikolai Miklucho-Maclaywar ins Rampenlicht, der sich gegen die fragwürdigen Thesen seines eigenen Lehrers stellte: des berühmten Ernst Haeckel.

Er wird auch der „deutsche Darwin“ genannt – der Biologe Ernst Haeckel (1834 bis 1919) von der Universität Jena hat der Evolutionstheorie entscheidend zum Durchbruch verholfen: Er hat sie wissenschaftlich weiterentwickelt und sie einer breiten Öffentlichkeit erfolgreich vermittelt. Doch der große Forscher hatte auch eine Schattenseite: Einige seiner Thesen zur Evolutionsgeschichte des Menschen hatten schlimme Folgen. Von Haeckels Anthropologie führen direkte Verbindungslinien zum Sozialdarwinismus, zur Rassenhygiene, Eugenik und Rassenkunde.

Anthropologische Thesen mit finsterem Echo

„Haeckel ging davon aus, dass die heutige Menschheit aus verschiedenen Spezies besteht, die sich durch ihr Entwicklungsniveau unterscheiden. Einige stünden also einem hypothetischen vormenschlichen Vorfahren näher, andere seien bereits weiterentwickelt“, erklärt Uwe Hoßfeld von der Universität Jena. Sein Kollege Georgy S. Levit ergänzt: „Diese Aufteilung in höhere und niedrigere Rassen ist der Kern jedes diskriminierenden Rassismus.“

Wie die beiden Historiker berichten, war Haeckel bei der Entwicklung seiner Theorie von den unterschiedlich hochentwickelten Gruppen unter den heutigen Menschen ungewöhnlich unwissenschaftlich vorgegangen und sich selbst nicht treu geblieben. Denn seinen eigenen Ansprüchen zufolge müssen Lebewesen in ihrem unmittelbaren Umfeld untersucht werden, um so ihre biologische Fitness sowie Unterschiede innerhalb einer Art und unterschiedliche Arten zu erkennen. Bei seinen anthropologischen Thesen hatte er aber darauf verzichtet, solche wissenschaftlich fundierte Daten zu erheben. Möglicherweise hat er sich schlicht dem Zeitgeist angepasst. Denn die spekulativen und herabsetzenden Erklärungen zur menschlichen Evolution passten gut zu den Ansichten der Kolonialzeit.

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Im Rahmen ihrer historischen Recherche haben Hoßfeld und Levit nun aufgezeigt, dass es allerdings durchaus wissenschaftlich fundierten Widerspruch gab. Und der kam ausgerechnet von einem Schüler Haeckels. Der in Russland geborene Naturforscher Nikolai Miklucho-Maclay (1846 bis 1888) hatte ab 1865 einige Jahre in Jena bei Haeckel studiert. Er arbeitete schließlich sogar als sein Assistent und unternahm mit ihm gemeinsame Forschungsreisen. Irgendwann kam es dann allerdings zu einem Zerwürfnis und ihre Wege trennten sich, berichten die Historiker.

Wissenschaftlich fundierter Widerspruch

1870 brach Miklucho-Maclay dann zu einer Forschungsreise nach Neuguinea auf, um dort das Volk der Papua zu untersuchen. Dieses Ziel war wohl kein Zufall, berichten die Historiker. Miklucho-Maclay wollte offenbar nachholen, was sein Lehrer versäumt hatte. Haeckel bezeichnete die Papua in seinem Werk „Natürliche Schöpfungsgeschichte“ von 1868 als Vertreter einer primitiven Spezies, die dem Urmenschen am nächsten stehen solle. Ein Beweis dafür seien die Merkmale der Behaarung der Papua, ihre Lebensweise und ihre Sprache. Doch all diese Informationen basierten nur auf Hörensagen – Haeckel hat Neuguinea nie betreten oder die Papua persönlich erlebt. Miklucho-Maclay verbrachte hingegen während seines ersten Aufenthaltes über ein Jahr bei den Papua. Fünf weitere Reisen sollten anschließend noch folgen.

Wie die Historiker berichten, widersprach Miklucho-Maclay in seinen Schriften den Behauptungen seines Lehrers. Bei seiner Beweisführung hielt er sich dabei streng an die wissenschaftlichen Regeln. Auch Haeckel war eigentlich davon überzeugt, dass sich alle Organismen an ihre Lebensumgebung anpassen und es so innerhalb einer Art verschiedene geografische Variationen geben kann. Im Fall seiner anthropologischen Thesen und der Betrachtung der Papua hatte Haeckel dies aber offenbar ignoriert.

Im Rahmen seiner empirischen Forschung konnte Miklucho-Maclays hingegen dokumentieren, dass auch die Papua einer innerartlichen Variation des Menschen entsprechen. Er formulierte dann schließlich auch die Aussage, dass die Papua innerhalb der Menschheit als vollwertige Mitglieder anzuerkennen sind und ihre Rechte geschützt werden müssen. „Zwar hat es auch vorher Denker gegeben, die sich deutlich gegen Rassismus ausgesprochen haben, wie beispielsweise Alexander von Humboldt. Aber Miklucho-Maclay war der erste Antirassist, der seinen Standpunkt nachdrücklich durch evidenzbasierte, langjährige Feldforschung untermauert hat“, resümieren Hoßfeld und Levit.

Doch der Anthropologe starb schon recht früh und konnte im Gegensatz zu Haeckel kaum eine breite Öffentlichkeit erreichen. „Leider hatte seine Arbeit wenig Einfluss auf die damalige Wissenschaft und Gesellschaft. Hätte sie mehr Aufmerksamkeit erfahren, wäre rassistisches Gedankengut, das vor allem im 20. Jahrhundert so viel Schaden angerichtet hat, möglicherweise bereits im Keim erstickt worden“, sagen die beiden Historiker abschließend.

Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Fachartikel: Frontiers in Zoology, doi: 10.1186/s12983-020-00358-w

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