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Rekordalter: Das Vögelchen von Lingjing

Geschichte|Archäologie

Rekordalter: Das Vögelchen von Lingjing
Die Figur ist etwa zwei Zentimeter groß und wurde vor über 13.000 Jahren im heutigen China aus einem Stück Knochen geschnitzt. (Bild: Francesco d'Errico and Luc Doyon)

Eine kleine Figur mit großer Bedeutung: Archäologen präsentieren das älteste bekannte Beispiel ostasiatischer 3D-Kunst. Die nur rund zwei Zentimeter große Darstellung eines Vogels wurde vor etwa 13.000 Jahren aus einem Stück Knochen geschnitzt. Der Stil unterscheidet sich deutlich von steinzeitlichen Funden aus Westeuropa. Die Forscher interpretieren dies als einen möglichen Hinweis darauf, dass die speziellen Darstellungsformen der chinesischen Kunst tiefe Wurzeln besitzen.

Schmuck, Malereien, Gravuren oder Schnitzereien – wann und wo Menschen mit der Erschaffung von Kunst begannen, ist eine der spannendsten Fragen der Archäologie. Die ältesten bekannten Hinweise auf künstlerische Ausdrucksformen sind etwa 100.000 Jahre alt. Dabei handelt es sich um Spuren von Pigmenten oder abstrakten Gravuren in Steinoberflächen. Auch durchbohrte Muschelschalen, die vermutlich dem persönlichen Schmuck gedient haben, verdeutlichen die tiefen Wurzeln symbolischer Ausdrucksformen beim Menschen. Ein höheres Niveau erreichten sie dann in der Form von Höhlenmalereien. Die ältesten Nachweise dieser Kunst stammen aus der Zeit von vor etwa 40.000 Jahren und wurden in Europa und im Jahr 2018 auch in Südostasien entdeckt.

Etwa zeitgleich entstanden in Europa auch die frühesten bekannten dreidimensionalen Darstellungsformen. Es handelt sich um Schnitzereien von Tieren und Menschen aus Mammutelfenbein, die an einem Fundort in der schwäbischen Alb entdeckt wurden. Wann die prähistorischen Menschen in der übrigen Welt begannen, figürliche Darstellungen anzufertigen, bleibt hingegen unklar. Der aktuelle Fund repräsentiert in diesem Zusammenhang nun den bislang frühesten Nachweis für den ostasiatischen Raum, berichten die Forscher um Zhanyang Li von der chinesischen Shandong Universität in Qingdao.

Eine Vogelschnitzerei mit Sockelfuß

Die kleine Figur stammt vom Fundort Lingjing in der ostchinesischen Provinz Henan. Wie die Wissenschaftler berichten, wurde sie in einer Abraumhalde entdeckt, die 1958 bei der Grabung eines Brunnens entstanden war. Zunächst waren in dem Material Stücke schwarzen Feuersteins entdeckt worden, die einen frühen menschlichen Ursprung nahelegten. Dazu passend fanden die Forscher anschließend eine Schicht im Bereich des Brunnens, in der sich ebenfalls Feuersteine befanden. Weitere Untersuchungen der Abraumhalde förderten dann Keramikscherben, verbrannte Tierreste und schließlich die Vogelfigur zutage.

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Li und seine Kollegen analysierten das nur etwa zwei Zentimeter große Objekt anschließend mit den modernsten Methoden der Archäologie. Durch eine Radiokohlenstoffdatierung der Beifunde konnten sie das Alter der Vogelfigur auf etwa 13.400 bis 13.200 Jahre bestimmen. Auf der Grundlage von anderen menschlichen Spuren in der Region mit einem ähnlichen Alter deutet dies darauf hin, dass Jäger und Sammler mit Steinwerkzeugtechnologie die Vogelschnitzerei am Ende der Altsteinzeit geschaffen haben.

Hinweis auf eine künstlerische Tradition?

Auf welche Weise das Figürchen entstanden ist, verdeutlichten mikroskopische und mikrotomografische Analysen, aus denen die Forscher auch ein 3D-Modell entwickelten. Bei dem Ausgangsmaterial handelt es sich um ein verkohltes Knochenstück eines Säugetiers. Es wurde mit einem harten Gegenstand bearbeitet, bis insgesamt 68 Facetten entstanden sind, die dem Gebilde die Form eines Vogels gaben, dessen Basis ein kleiner Sockel bildet. Bei der zuvor ältesten bekannten figürlichen Darstellung eines Vogels im Bereich des heutigen China handelt es sich um eine etwa 5000 Jahre alte Jadeschnitzerei, berichten die Forscher. Der neue Fund ist somit etwa 8500 Jahre älter.

Li und seine Kollegen heben hervor, dass die Darstellung von Vögeln in der chinesischen Kultur eine besondere Bedeutung entwickelt hat. Da sich der Stil des Vogels von Lingjing – vor allem durch den Sitz auf einem Sockel – von vergleichbaren zeitgenössischen Darstellungen aus Westeuropa und Sibirien unterscheidet, spekulieren sie: Es könnte sich um einen Hinweis auf eine tief verwurzelte künstlerische Tradition handeln, die spezifisch für Ostasien ist. „Diese Entdeckung schiebt den Nachweis der Darstellung von Vögeln in der chinesischen Kunst um mehr als 8500 Jahre zurück und verweist somit möglicherweise auf den Ursprung einer künstlerischen Tradition“, so die Wissenschaftler. Sie hoffen nun auf weitere Funde steinzeitlicher Schnitzkunst, die diese Interpretation untermauern.

Quelle: PLOS, Fachartikel: PLOS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0233370

 

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