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Richard III. ohne Buckel?

Geschichte|Archäologie

Richard III. ohne Buckel?
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Die Skoliose von Richard III., aus unterschiedlichen Blickwinkeln (University of Leicester)
Er soll buckelig, hinkend und schwer deformiert gewesen sein: Glaubt man einigen historischen Überlieferungen und der Beschreibung Willam Shakespeares, dann war der englische König Richard III. ein ziemlich bösartiger Krüppel. Neue Untersuchungen des erst im letzten Jahr entdeckten Skeletts des Königs widerlegen dieses Bild nun aber: Wie ein 3D-Modell zeigt, litt Richard III. zwar unter einer starken Rückgratverkrümmung, er hatte aber weder einen Buckel noch hinkte er. Nur seine rechte Schulter stand etwas höher als die linke – aber dies war leicht zu kaschieren und behinderte ihn wohl auch nicht nennenswert.

Für William Shakespeare war der englische König Richard III. der Inbegriff eines Schurken: Er beschreibt ihn in seinen Werken als hinkenden Buckligen mit einem verkümmerten Arm und als gewissenlosen Mörder zahlreicher Rivalen um den Thron, darunter auch zwei junge Prinzen. Tatsächlich aber war der 1483 gekrönte König weitaus besser als sein späterer Ruf. Dennoch herrschte er nicht lang: 1485 starb er in der Schlacht und soll in der Klosterkirche von Greyfriars in Leicester begraben worden sein. Seine Überreste aber blieben lange Zeit verschollen. Anfang 2013 dann machten britische Archäologen einen sensationellen Fund: Sie stießen bei Ausgrabungen unter einem Parkplatz auf ein Skelett, das dem Alter und Aussehen nach dem englischen König gehören könnte. Ein wichtiges Indiz dabei: Das Skelett hatte eine starke Rückgratverkrümmung. Eine solche Skoliose könnte erklären, warum Richard III. bei Shakespeare, aber auch in andern historischen Quellen als fehlgebildet mit verschieden hohen Schultern beschrieben wird.

Beule nach rechts

Wie stark Richard III. aber wirklich durch seine Skoliose entstellt war, haben Jo Appleby von der University of Leicester und seine Kollegen nun näher untersucht. Dafür analysierten sie die Wirbelsäule des Skeletts mittels Röntgentomografie und erstellten ein 3D-Modell des Rückgrats. Dieses erlaubt es erstmals, das genaue Ausmaß der Skoliose und auch das Aussehen des Königs zu rekonstruieren. Das Modell zeigt, dass die Wirbelsäule von Richard III. auf Brusthöhe stark seitlich verkrümmt war. Sie bildete eine Beule nach rechts und war zusätzlich noch spiralig verwunden, wie die Forscher berichten.

Das neue 3D-Modell liefert erstmals auch Hinweise darauf, woher Richard III. seine Skoliose hatte und seit wann: Da weitere, typische Anomalien an der Struktur der Wirbelsäule fehlen, halten die Forscher es für sehr unwahrscheinlich, dass eine erbliche Missbildung die Ursache war. Die normalen Muskelansatzstellen sprechen auch gegen eine neuromuskuläre Erkrankung oder frühkindliche Hirnschädigungen. Stattdessen deuten einige Merkmale der Wirbel darauf hin, dass die Skoliose sich bei Richard III. erst in den letzten Jahren seiner Kindheit entwickelte. Er litt daher am wahrscheinlichsten unter einer klassischen idiopathischen Adoleszenten-Skoliose, wie diese häufige Rückgratverkrümmung unklarer Ursache heute genannt wird.

Gut zu kaschieren

„Obwohl diese Skoliose dramatisch aussieht, verursachte sie vermutlich keine größeren äußerlichen Fehlstellungen“, erklärt Appleby. Durch die Rückgratverkrümmung war der Rumpf des Königs im Verhältnis zu seinen Beinen aber etwas kürzer als normal. Insgesamt war Richard III. dadurch wahrscheinlich einige Zentimeter kleiner als die meisten anderen Männer seiner Zeit. Wie die Forscher berichten, stand seine rechte Schulter etwas höher als die Linke, aber dies konnte sehr gut durch einen guten Schneider und eine maßgeschneiderte Rüstung kaschiert werden. Entsprechend angezogen wäre daher die leichte Missbildung kaum aufgefallen. Und auch in seinen Bewegungen hat die Rückgratverkrümmung den englischen König offenbar kaum behindert: Historischen Aufzeichnungen nach war er ein guter Kämpfer und starb auch in der Schlacht.

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„Shakespeares Beschreibung von Richard III. als eine ‚buckelige Kröte‘ ist daher eine komplette Fabrikation“, sagt Appleby. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die Skoliose einen sichtbaren Buckel verursachte, das Becken und die völlig normalen, geraden Beinknochen sprechen zudem gegen ein Hinken. „Shakespeares Dramen sind wunderbare Stücke, aber sie sind eben Fiktion, nicht Fakt“, kommentiert Phil Stone, Vorsitzender der Richard III Society diese Ergebnisse.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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