Das Burgenland war Teil des römischen Pannoniens und wurde fast vollständig von Nord nach Süd von der „Bernsteinstraße“ durchzogen, die das römische Aquileia an der Adria mit dem Baltikum verband. Die „Bernsteinstraße“ stellte eine zentrale Handelsroute für die Römer dar, so dass mit den römischen Soldaten vor etwa 2 000 Jahren auch Händler und Handwerker aus anderen Provinzen des Riesenreichs ins Burgenland kamen. Durch Eheschließungen der Römer mit den von der keltischen Kultur geprägten Einwohnern entstand eine keltisch-römische Mischbevölkerung.
Ingrid Weber-Hiden vom Institut für Alte Geschichte der Universität Wien hat zahlreiche römische Grabmonumente untersucht. Sie können über das Leben vor 2 000 Jahren Auskunft geben; über Kleidung und Schmuck, Familienverhältnisse, gesellschaftlichen Status und Alter. Die Initiative, überhaupt Grabmonumente mit Gedenkinschriften zu errichten, ging von den Römern aus. Manche Inschriften künden von inniger Zuneigung zu einem verstorbenen Angehörigen, etwa auf einem Grabstein aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., der in Winden am See (am Nordufer des Neusiedler Sees) gefunden wurde. Ein aus dem griechischsprachigen Osten des Reichs stammender Veteran der 14. Legion namens Septimus Alcides ließ, ungewöhnlich in dieser Gegend, seiner geliebten Ehefrau ein Grabgärtchen errichten, um ihr Andenken zu pflegen.
Besonders spannend werden Grabinschriften unter dem Gesichtspunkt der Angleichung der keltischen an die römische Kultur. Auf so manchem Stein finden sich zum Beispiel Schreibfehler, die zeigen, dass die keltischen Steinmetze mit dem Lateinischen nicht allzu vertraut waren. Auf einer Grabstele aus Purbach (ebenfalls am Neusiedler See) etwa findet sich „Mimoria“ statt „Memoriae“, „oui“ statt „quae“ oder „sipurclus“ statt „sepulcrum“.
Der kulturelle Wandel war geschlechtsspezifisch unterschiedlich ausgeprägt: Frauen behielten länger die eigene kulturelle Prägung bei als Männer. So ließen sich Frauen meist noch ein bis zwei Generationen länger in ihrer einheimischen Tracht auf dem Grabstein darstellen, während Männer durch ihre römische Kleidung ostentativ auf ihren Stand hinwiesen. Auch die Verwendung von römischen Namen setzte bei Frauen deutlich später ein als bei Männern. Die Namensbedeutung wurde bei Frauen häufig einfach ins Lateinische übersetzt: aus Suadulla (die Süße) wurde Candida. Die Männer dagegen bevorzugten Namen, die ihre kriegerischen Qualitäten betonten. Keltische Namen erhielten sich vor allem im Norden, am Neusiedler See, während im Süden des Burgenlandes vorwiegend römische Namen zu finden sind.
Literatur: Landesmuseum Burgenland (Hrsg.), Spuren römischen Lebens im Burgenland. Eisenstadt 2008.