Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Rom und China: das Geheimnis ihrer Stabilität

Geschichte|Archäologie

Rom und China: das Geheimnis ihrer Stabilität
Römische Netzwerke
Netzwerkmodell der Routen im Römischen Reich. Farben markieren wichtige Verbindungszonen. (Grafik: ORBIS Stanford/ J. Preiser-Kapeller, ÖAW)

Das Römische Reich und das alte China gehörten zu den langlebigsten und größten Reichen ihrer Zeit. Was diese alten Weltreiche so stabil machte, hat nun ein Historiker mit ungewöhnlichen Mitteln aufgeklärt: Er unterzog ihre Handelsrouten und Verkehrsnetze einer vergleichenden Netzwerkanalyse. Sie belegt, dass die Struktur dieser beiden Weltreiche in vielem dem des modernen Internets glich. Eine Vielzahl von überregionalen Verbindungen machte sie stabil, selbst wenn die Hauptstadt wechselte.

Historische Verflechtungen durch Verkehrsrouten, Handel und soziale Beziehungen – für den Byzanzforscher Johannes Preiser-Kapeller von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) stehen sie im Mittelpunkt seiner Forschungen. Denn wie er erklärt, bedecken große Reiche ihr Territorium nie lückenlos, sondern üben ihre Macht vornehmlich über eine netzwerkähnliche Struktur aus schmalen Verbindungskorridoren zwischen den als Knotenpunkten dienenden Zentren aus.

Vernetzt auf See und über Land

In mancher Hinsicht ähneln sich dabei das römische und das chinesische Reich: Beide erstreckten sich trotz fehlender moderner Technik über eine Fläche von rund fünf Millionen Quadratkilometern und prägten die Geschichte und Entwicklung ihres Teils von Eurasien entscheidend, wie der Historiker erklärt. Allerdgins gebe es auch entscheidende Unterschiede: “Das Imperium Romanum basierte zentral auf den Seewegen des Mittelmeeres, während China eher auf einem Netz von Routen über Land und auf Flüssen beruhte”, erklärt Preiser-Kapeller.

Ob beide Großreiche dennoch strukturelle Gemeinsamkeiten aufwiesen, die möglicherweise ihre Stabilität über Jahrhunderte hinweg erklären können, hat der Forscher nun mittels Netzwerkanalyse untersucht. Für das Römische Reich griff Preiser-Kapeller auf bereits existierende Netzwerk-Modelle zurück, für das alte China entwickelte er ein eigenes Modell, das die Kosten der Versorgung und die Erreichbarkeit einzelner Orte im Netzwerk aufgrund schriftlicher Quellen aus den beiden Großreichen analysierte.

Verbindungsachsen machten die Reiche stabil

Das Ergebnis: Sowohl im alten China als auch im Römischen Reich erwiesen sich die Handels- und Verkehrsnetzwerke als relativ widerstandsfähig gegenüber dem Ausfall einzelner zentraler Knoten. Dafür sorgten starke und zahlreiche übergeordnete Verbindungen zwischen mehreren regionalen Clustern. Mit dieser Struktur ähnelten die großen Weltreiche jener von komplexen Netzwerken der Gegenwart wie etwa dem Internet, aber auch dem Verbreitungsmuster von Krankheiten.

Anzeige

“So war Rom für das Netzwerk des gesamten Römischen Reiches, das sich von Britannien bis Ägypten und von Spanien bis zum Euphrat erstreckte, nicht unbedingt der zentrale Knotenpunkt”, so Preiser-Kapeller. Stattdessen gab es zahlreiche regionale Zentren, die über Routen miteinander und mit Rom verbunden waren. Selbst wenn eine wichtige Stadt oder ein Handelszentrum durch eine Naturkatastrophe oder eine Eroberung durch feindliche Mächte ausfiel, sorgten diese Verknüpfungen dafür, dass der Verlust ausgeglichen oder umgangen werden konnte, wie Preiser-Kapeller erklärt.

Als Rom beispielsweise im Jahr 410 nach Christus von den Goten erobert und geplündert wurde, ging das Römische Reich daran nicht zugrunde. Dasselbe Bild zeigt sich in China, wo im Lauf der wechselnden Dynastien oftmals auch die Hauptstädte wechselten.

Sollbruchstellen im System

Allerdings hatte die Netzwerkstruktur der alten Großreiche auch Schwachstellen: Konnte oder wollte man die Kosten für den Erhalt oder die Verteidigung aufwendiger See- und Infrastruktur-Verbindungen nicht mehr tragen, konnte das Imperium recht rasch in verschiedene regionale Cluster zerbrechen. Tatsächlich ergab die Analyse, dass die historischen Zerfallsprozesse im Römischen Reich oder im alten China meist dort ansetzten, wo auch im Netzwerkmodell Bruchlinien zutage treten. “Wir sehen hier einige bemerkenswerte Parallelen zu historischen Prozessen im fünften bis siebten Jahrhundert”, sagt Preiser-Kapeller.

In China zeigt die Netzwerkanalyse, welche wichtige Rolle der Kaiserkanal spielte: Er verband den Norden Chinas mit dem Mündungsgebiet des Jangtsekiang und bildete damit die wichtigste Verkehrs- und Wirtschaftsachse des Landes. Denn im kontinental geprägten kaiserzeitlichen China spielten Flüsse und Kanäle die Hauptrolle beim Transport – und nicht Seeverbindungen wie im Römischen Reich. Die Wasserwege Chinas mussten zwar angesichts der ständigen Verlandung und Verlagerung von Wasserläufen unter hohem Aufwand aufrechterhalten werden, hatten aber sehr lange Bestand – bis ins 19. Jahrhundert hinein. Dadurch zählt die Region rund um den Kaiserkanal und die großen Flüsse, bis heute zu den bevölkerungsreichsten überhaupt in China.

Quelle: Österreichische Akademie der Wissenschaften, Fachartikel: Siedlungsforschung: Archäologie – Geschichte – Geographie, doi: 10.13140/RG.2.2.32994.99524

Anzeige
DAMALS | Aktuelles Heft
Bildband DAMALS Galerie
Der Podcast zur Geschichte

Geschichten von Alexander dem Großen bis ins 21. Jahrhundert. 2x im Monat reden zwei Historiker über ein Thema aus der Geschichte. In Kooperation mit DAMALS - Das Magazin für Geschichte.
Hören Sie hier die aktuelle Episode:
 
Anzeige
Wissenschaftslexikon

Juch|he  〈n. 15〉 1 lärmende Freude 2 〈umg.; bes. österr.〉 oberste Galerie im Theater … mehr

Ba|si|li|kum  〈n.; –s; unz.; Bot.〉 = Basilienkraut

Gan|gli|en|zel|le  auch:  Gang|li|en|zel|le  〈f. 19; Biol.; Med.〉 Nervenzelle im Ganglion … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige