Einer der beiden untersuchten Knochen ist 43.000 Jahre alt und stammt aus Spanien, der andere ist 50.000 Jahre alt und wurde in Italien gefunden. In beiden entdeckten die Forscher Erbgut, das im mc1r-Gen eine beim modernen Menschen noch nie beobachtete Veränderung zeigte. mc1r trägt die Bauanleitung für ein Protein, das das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Formen des Haut- und Haarpigmentes Melanin reguliert. Ist es defekt, überwiegt nicht das dunkle Eumelanin, sondern das rötlich-helle Phäomelanin ? und das beschert dem Träger meist eine Kombination aus roten Haaren und heller, empfindlicher Haut mit Sommersprossen.
Auch die jetzt beobachtete Veränderung des Neandertalergens verursacht einen solchen Defekt, konnten die Wissenschaftler zeigen: Als sie es in kultivierte Zellen im Labor einbauten, war es deutlich weniger aktiv als das normale menschliche Gen. „Genvarianten mit einer ähnlich verringerten Aktivität sind auch beim modernen Menschen bekannt ? allerdings aufgrund anderer Mutationen“, erklärt Michael Hofreiter. Da diese Varianten zu roten Haaren führten, könnte das auch beim Neandertalergen der Fall gewesen sein.
Dass möglicherweise nicht alle Neandertaler dunkle Haare hatten, war von Wissenschaftlern bereits früher vermutet worden ? schließlich erleichtern helle Haut und helle Haare die sonnenabhängige Vitamin-D-Produktion im häufig bewölkten Europa. Da jedoch kaum Haare und Haut erhalten sind, war diese These schwierig zu überprüfen. Die neuen Ergebnisse bestätigten die Vermutung nun, schreiben die Forscher. Interessanterweise hätten damit unterschiedliche genetische Veränderungen, die sich unabhängig voneinander entwickelten, beim modernen Menschen und beim Neandertaler zum gleichen Ergebnis geführt. Sie halten es zudem für wahrscheinlich, dass es noch weitere Veränderungen im mc1r-Gen gegeben habe und beim Neandertaler demnach ähnlich wie beim modernen Menschen ein ganzes Spektrum an verschiedenen Haut- und Haarfarben vorkam.