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Schiffs-Graffiti im alten Fort von Sansibar

Seefahrtsgeschichte

Schiffs-Graffiti im alten Fort von Sansibar
Konturen eines Schiffs werden deutlich. © John P Cooper & Alessandro Ghidoni

In der historischen Festungsanlage der Hauptstadt Sansibars haben einst Wachsoldaten Darstellungen von Schiffen in die Mauern geritzt, berichten Archäologen. Den Datierungen zufolge stammen die Graffiti vermutlich aus dem 19. Jahrhundert – aus der Zeit, als die Inselgruppe im Osten Afrikas von omanischen Sultanen beherrscht wurde. Wie die Forscher erklären, geben die Darstellungen damit Einblicke in die Schiffstypen, die damals im westlichen Indischen Ozean unterwegs waren.

Mit Sansibar wird bei uns typischerweise Helgoland assoziiert: Die ostafrikanische Inselgruppe, die heute zu Tansania gehört, wurde durch den sogenannten Sansibar-Helgoland-Vertrag bekannt. Im Rahmen dieses Abkommens von 1890 traten die Briten die Nordsee-Insel an das Deutsche Reich ab und im Gegenzug verzichteten die Deutschen auf koloniale Projekte an der afrikanischen Ostküste. Es handelte sich dabei allerdings nicht um einen wirklichen Tausch: Sansibar war damals keine Kolonie, sondern gehörte lediglich zum Interessensgebiet der Deutschen. Denn bis es 1890 zu einem britischen Protektorat erklärt wurde, war Sansibar ein freies Sultanat.

Die Geschichte des Einflusses der islamischen Herrscher ging dabei bereits auf das späte 17. Jahrhundert zurück. 1831 verlegte der Sultan des Oman dann sogar seinen Regierungssitz nach Stone Town auf der Hauptinsel Sansibars. Die Stadt war damals ein wichtiger Knotenpunkt für den transozeanischen Handel: Dort endete ein weitläufiges Verbindungsnetz, das die Monsunwinde für die Schifffahrt nutzte. Stone Town bildete dabei eine wichtige Rolle im Handel verschiedener Güter – vor allem aber für Sklaven aus Ostafrika. Dominiert wurde die Stadt in der Nähe des Hafens von dem Fort „Gereza“, das die omanischen Herrscher vor allem im 18. Jahrhundert weiter ausbauen ließen.

Spuren im Fort „Gereza“ im Visier

Wie die Archäologen John Cooper und Alessandro Ghidoni von der University of Exeter berichten, sind an einigen Stellen der Mauern dieser Festungsanlage Überreste von Schiffsdarstellungen zu erkennen, die einst in den Verputz geritzt wurden. Im Rahmen ihrer Studie sind sie nun der Frage nachgegangen, was es mit diesen Ritzzeichnungen auf sich hat. Wie die Archäologen zunächst erklären, zeichnet die Darstellungen ein spezielles Merkmal aus: Sie wurden nicht an repräsentativen Flächen angebracht – demnach erfüllten sie wohl keine spirituelle oder religiöse Funktion. Sie befinden sich hingegen meist in Bereichen des Forts, wo Wachsoldaten patrouillierten. Cooper und Ghidoni nehmen deshalb an, dass diese Männer die Schiffe darstellten, die sie im nahen Hafen sahen.

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Alessandro Ghidoni dokumentiert ein Schiffs-Graffito im südwestlichen Turm des alten Forts von Sansibar. © John P Cooper

Auf der Grundlage von baulichen Hinweisen kamen die beiden Wissenschaftler zu der Einschätzung, dass die Abbildungen im 19. Jahrhundert entstanden sind. Sie stammen damit zwar nicht aus der Frühzeit des Forts, dennoch sind sie ihnen zufolge aber historisch wertvoll. Denn sie liefern weitere Einblicke in die Seefahrt vor der Küste Ostafrikas in dieser prägenden Ära der Weltgeschichte. Konkret dokumentieren die Bilder dabei, welche Schiffstypen damals im westlichen Indischen Ozean unterwegs waren.

Unterschiedliche Schiffstypen erkennbar

So identifizierten die Forscher unter anderem eine dreimastige Fregatte im europäischen Stil. Wie Cooper und Ghidoni erklären, erscheint plausibel, dass diese und andere quadratische Schiffstypen der westlichen Mächte Sansibar in dieser Zeit besuchten. Aber auch die omanische Marine verfügte ihren Recherchen zufolge über eine Reihe eigener Schiffe dieser Art. Außerdem erkannten sie in einigen der skizzenhaften Abbildungen typische Hochseeschiffe des Indischen Ozeans, die oft mit dem Sammelbegriff „Dau“ bezeichnet werden. Einige lassen sich dabei allerdings auch bestimmten Schiffstypen zuordnen, wie die Baghla, Ghanja, Sanbūq oder Kotia. Zwei Darstellungen könnten außerdem die nur wenig belegte ostafrikanische Mtepe darstellen – ein Schiff, das zusammengenäht und nicht genagelt wurde. Die auf den Graffiti abgebildeten Schiffe mit offenbar spezieller Takelung könnten zudem omanische Hochseehandelsschiffe darstellen, die am Fernhandel teilnahmen, berichten die Forscher.

Abschließend liefert Cooper noch einen „szenischen“ Eindruck von den Umständen, unter denen die Darstellungen wohl entstanden sind: „Die Graffiti im südwestlichen Turm und auf den westlichen Wällen der Gereza wurden offenbar von Mitgliedern der Gemeinschaft des Forts angefertigt, die Zeit hatten: Soldaten, die Wache hielten oder ihre Freizeit in den luftigeren oberen Bereichen des Gebäudes verbrachten. Dabei handelte es sich wohl um Mitglieder der militärischen Einheiten oder Sklavensoldaten, die während eines Großteils des 19. Jahrhunderts von den Sultanen im Fort stationiert wurden. Diese Soldaten werden dabei wohl selbst mit den Hochseeschiffen an- und abgereist sein, die sie auf den Mauern dargestellt haben“, so Cooper.

Quelle: University of Exeter, Fachartikel: Archaeological Research in Africa, doi:10.1080/0067270X.2022.2047526

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