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Schlachtfeld der Germanen entdeckt

Geschichte|Archäologie

Schlachtfeld der Germanen entdeckt
Knochen
Gut 2000 Jahre alte Gebeine toter Germanenkrieger (Foto: PNAS)

Vor rund 2000 Jahren fand im Norden Germaniens eine erbitterte Schlacht statt. Davon zeugen die Überreste von mehr als 82 Toten, die Archäologen auf der dänischen Halbinsel Jütland entdeckt haben. Die Schädel und Skelette stammen alle von jungen Männern und tragen Spuren teils schwerer Verletzungen – ein Hinweis darauf, dass diese Männer bei einer Schlacht gefallen sein müssen. Das Besondere daran: Die Krieger waren weitaus zahlreicher, als man es den Germanen bisher zugetraut hatte – und sie ehrten ihre Toten mit einem besonderen Ritual.

Im ersten Jahrhundert nach Christus durchlebten die Menschen im Norden und in der Mitte Europas dramatische Veränderungen. Denn die fortschreitende Expansion des römischen Reichs führte dazu, dass Truppen immer weiter in die Gebiete der Germanen vordrangen. Das sorgte nicht nur an den sich ausweitenden Grenzen des römischen Reichs immer wieder für Schlachten, die anhaltenden Konflikte destabilisierten auch die Gesellschaften außerhalb des römischen Territoriums. „In römischen Berichten über ihre barbarischen nördlichen Nachbarn wurden die Wildheit der germanischen Stämme und Völker und ihr extrem gewaltsames und ritualisiertes Verhalten in und nach der Schlacht immer wieder betont“, berichten Mads Kähler Holst von der Universität Aarhus und seine Kollegen. Doch für die wahre Natur dieser Kämpfer und ihrer Schlachten gibt es bisher nur sehr wenige direkte archäologische Zeugnisse. Nur wenige Schlachtfelder aus jener Zeit wurden bisher entdeckt.

Schlachtfeld eines Germanenkampfs

Jetzt liefert eine Fundstätte auf der dänischen Halbinsel Jütland ganz neue Einblicke in die Schlachten und Kampfgewohnheiten der „barbarischen“ Germanen. In dem Marsch- und Sumpfland der sogenannten Alken Enge entdeckten Kähler Holst und seine Kollegen neben zahlreichen Speerspitzen, Schwert- und Schildfragmenten sowie Eisenmessern und einer Axt auch die Überreste von mindestens 82 Toten. Radiokarbondatierungen ergaben, dass die fast 2100 menschlichen Knochen und Schädel aus dem ersten Jahrhundert vor Christus stammen. Sie stammen damit aus der Zeit, in der es zwischen Römern und Germanen, aber auch zwischen germanischen Stämmen immer wieder zu Konflikten kam. „Alle Datierungen fallen dabei in einen einheitlichen, sehr engen Datumsbereich“, berichten die Forscher. Sie gehen deshalb davon aus, dass die Toten von Alken Enge nahezu gleichzeitig gestorben sein müssen.

Die nähere Untersuchung der Skelette und Schädel ergab, dass es sich bei den Toten fast ausschließlich um junge Männer handelte – und dass sie offenbar eines gewaltsamen Todes gestorben sind. Denn viele der Knochen tragen Verletzungen, wie sie für Schwerthiebe oder Stiche mit Speeren oder Messern typisch sind. „Die demografischen Merkmale, die Belege für Traumata und die begleitenden Funde von Waffenrelikten sind überzeugende Indizien dafür, dass die Alken-Enge-Population in einen schwerwiegenden bewaffneten Konflikt verwickelt war“, sagen die Forscher. Auf Basis der Waffen und Verletzungen gehen sie davon aus, dass diese Schlacht wahrscheinlich zwischen zwei germanischen Gruppen stattfand und nicht zwischen Römern und Germanen.

Große Kriegergruppen und ein mögliches Ritual

Das Spannende an den Funden aber ist, was sie über die Kämpfe der Germanen verraten, wie Kähler Holst und seine Kollegen berichten. Denn in ihrem Ausgrabungsgebiet haben sie zwar „nur“ die Überreste von 82 Individuen gefunden und untersucht. Sie schätzen aber, dass mindestens 380 tote Krieger in diesem Sumpfgebiet vergraben liegen. „Die Zahl der Kämpfer in Alken Enge übertrifft damit die Größenordnung jeder bekannten Eisenzeit-Dorfgemeinschaft bei weitem“, konstatieren die Archäologen. „Das spricht dafür, dass die Kampfgruppen aus einem größeren Einzugsgebiet rekrutiert worden sein müssen.“ Damit widersprechen die neuen Funde früheren Annahmen, nach denen die Germanen nur kleinere Kriegertrupps von maximal 80 Männern aufstellen konnten. Stattdessen waren sie offenbar durchaus imstande, größere Armeen zusammenzustellen und Schlachten dieser größeren Ausmaße zu koordinieren.

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Einen weiteren Einblick in germanische Kampfgewohnheiten liefert eine weitere Besonderheit der Funde: Einige Knochen weisen Spuren auf, wie sie beim postmortalen Zertrennen von Skeletten auftreten., Andere Knochen zeigen Abdrücke von Tierbissen oder sie waren zu mehreren gebündelt. Nach Ansicht der Archäologen deutet dies darauf hin, dass die Krieger erst einige Zeit nach ihrem Tod in dieser damals von Wasser bedeckten Rinne versenkt wurden. „Der allgemeine Erhaltungszustand der Knochen deutet darauf hin, dass die menschlichen Überreste ein halbes bis ein Jahr lang offen dalagen“, berichten Kähler Holst und seine Kollegen. Ihrer Vermutung nach wurden die Überreste der toten Krieger einige Monate nach der Schlacht eingesammelt, teilweise entbeint und dann zusammen in der wassergefüllten Rinne bestattet. „Das deutet auf eine neue Form Form der Aktivitäten nach einer Schlacht hin“, so die Forscher.

Möglicherweise schufen sich die German durch diese Art der nachträglichen Bestattung eine Art Denkmal und Erinnerung an die Schlacht. „Die Praxis des Entbeinens und die Veränderungen in der Anordnung der Knochen könnten auf eine rituelle Dimension in der Behandlung dieser menschlichen Überreste hindeuten“, sagen Kähler Holst und seine Kollegen.

Quelle: Mads Kähler Holst (Universität Aarhus) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1721372115

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