Efeu überwucherte Gemäuer – Reste einstiger Pracht: Heute ist das Heidelberger Schloss eine romantische Ruine. Nun haben deutsche Forscher am Computer rekonstruiert, wie das weltberühmte Renaissancebauwerk zu seiner Glanzzeit einmal ausgesehen hat. Das dreidimensionale Modell macht heute verschwundene Teile wieder sichtbar.
Das Heidelberger Schloss ist eines der beliebtesten Ziele für Touristen in Deutschland: 1,1 Millionen Besucher besichtigen jedes Jahr die verwunschen wirkendende Anlage, die auf dem Königstuhl über der Heidelberger Altstadt thront. Seit dem 12. Jahrhundert wuchs hier der Gebäudekomplex. Vor allem in der Renaissance wurde die Anlage prächtig ausgebaut und diente bis zum Pfälzischen Erbfolgekrieg den Kurfürsten der Pfalz als Residenz. Verantwortlich für die Zerstörung der Anlage waren Truppen des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV.: Durch Sprengungen verwandelten sie das Schloss im Jahr 1693 in eine Ruine. Später avancierten die Überreste dann zu einem Inbegriff der Deutschen Romantik.
Obwohl die Gebäudereste auch heute noch sehr eindrucksvoll wirken, bleibt dem Betrachter dennoch Vieles vom einstigen Glanz des Schlosses verborgen. Um dies erlebbar zu machen, haben Forscher um Julian Hanschke vom Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) den Gebäudekomplex in seiner einstigen Gestalt wiedererstehen lassen – als dreidimensionale virtuelle Rekonstruktion. Dabei handelt es sich nicht um eine Spielerei, sondern um einen wissenschaftlich akkuraten Nachbau, der bis in die kleinste Einzelheit auf historischen Quellen fußt, betonen die Forscher.
Sie konnten bei der Entwicklung ihrer Modellen auch auf besondere – mittlerweile historische Quellen – zurückgreifen: Vor 100 Jahren gab es Bestrebungen, das Heidelberger Schloss wieder aufzubauen. „Wie die Hohkönigsburg im Elsass,“ sagt Hanschke. Dazu hatte man den kompletten Baubestand dokumentiert und vermessen sowie hunderte Pläne gezeichnet. „Das ist die wohl vollständigste Bauaufnahme eines deutschen Schlosses“, sagt Hanschke
So sahen die Kurfürsten das Schloss
Der Aufwand für den digitalen Wiederaufbau war aber dennoch enorm: Anhand der historischen Pläne, Ansichten und Zeichnungen musste am Computer jedes Detail nachmodelliert werden. „Es ist nicht so, dass man ein paar Bilder einscannt und der Rechner den Rest erledigt“, erklärt Hanschke. Der sich in der Realität über 270 mal 280 Meter ausdehnende Gebäudekomplex nimmt auf der Festplatte nun rund drei Gigabyte Speicherplatz ein.
Wo heute Fensterhöhlen auf das malerische Neckartal blicken und mit Efeu überwucherte Mauerreste bizarr in den Himmel ragen, kann der Besucher in der Simulation nun wieder den einstigen Zustand erleben: Beispielsweise virtuell den wuchtigen Turm besteigen und unter den Kreuzgratgewölben des Kaisersaals im Ottheinrichbau umherspazieren. Der virtuelle Betrachter kann außerdem den Figurenschmuck an der Fassade des an einen venezianischen Palazzo erinnernden Friedrichsbaus betrachten oder einen 360-Grad-Blick durch den Schlosshof im Jahre 1683 schweifen lassen.
Eine Interaktive Ansicht des Schlosshofes finden Sie hier: http://360.schloss-heidelberg.de/innenhof/