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Schon die Römer nutzten „mobile Klos“

Geschichte|Archäologie

Schon die Römer nutzten „mobile Klos“
Römergefäß
Römischer Nachttopf und Ei eines Peitschenwurms. © Roger Wilson/ Sophie Rabinow

Lange galten die konischen Tongefäße, die in vielen römischen Fundstätten entdeckt wurden, als Vorratsbehälter. Jetzt enthüllen Rückstände in solchen Gefäßen aus dem spätantiken Sizilien, dass es sich stattdessen um „mobile“ Klos handelte: Die Gefäße enthielten konservierte Eier von gängigen Darmparasiten, die nur mit dem Kot in diese Rückstände gelangt sein können. Die tönernen Behälter dienten demnach als eine Art Toilettentopf.

Bevor es Toiletten gab, nutzten die Menschen vieler Kulturen kommunale Latrinen – auch in der römischen Antike war dies der Fall. Erst mit der Zeit wurden diese Gemeinschaftsklos dann durch individuellere Möglichkeiten ersetzt. So gab es Überlieferungen zufolge schon in der griechischen Antike tragbare Urinale in Amphorenform, spätestens ab dem Mittelalter war in höheren Kreisen auch ein Toilettenstuhl gebräuchlich – ein Stuhl, in dessen Sitz ein Nachttopf eingelassen war. Doch aus der römischen Zeit haben archäologische Funde bisher nur Latrinen zutage gefördert – so jedenfalls dachte man.

Wozu dienten die konischen Gefäße?

Doch nun wirft eine Untersuchung von Sophie Rabinow von der University of Cambridge und ihren Kollegen ein ganz neues Licht auf die Toilettengewohnheiten der Römer. Für ihre Studie hatten sie die Rückstände in einem in der Römerzeit sehr häufigen Typ von Tongefäßen analysiert. Es handelt sich dabei um gut 30 Zentimeter hohe, sich konisch nach oben hin erweiternde Töpfe. „Solche konischen Gefäße wurden nahezu überall im römischen Reich gefunden und in Abwesenheit anderslautender Belege meist als Vorratsbehälter eingeordnet“, erklärt Co-Autor Roger Wilson von der University of British Columbia in Vancouver.

Die Tatsache, dass viele dieser Tontöpfe in der Nähe von römischen Latrinen gefunden wurden, weckte allerdings schon früher den Verdacht, dass sie möglicherweise eine Art Nachttopf darstellen könnten. „Bisher aber fehlte ein Beleg dafür“, so Wilson. Deshalb haben er und seine Kollegen nun die krustigen Rückstände in einigen solcher Töpfe untersucht, die aus dem fünften Jahrhundert stammen und in einer römischen Villa in Gerace auf Sizilien gefunden worden waren. Weil Urin und Kot über solche kristallinen Resten oft schwer nachzuweisen sind, wählte das Team einen anderen Ansatz: Sie suchten nach den Spuren von Darmparasiten, die mit dem Kot in diese Rückstände gelangt sein könnten.

Eier von Darmparasiten im Topf-Rückstand

Tatsächlich wurden die Wissenschaftler fündig: in den harten Verkrustungen konnten sie mehrere Eier des Peitschenwurms (Trichuris trichiura) identifizieren – einem Fadenwurm, der zu den häufigsten Darmparasiten des Menschen gehört. Diese bis zu fünf Zentimeter langen Würmer heften sich an der Darmwand fest und ernähren sich von der Darmschleimhaut. Ihre in den Darm abgegeben Eier werden mit dem Kot ausgeschieden. „Diese Eier gerieten zwischen die Mineralkrusten, die sich an der Wand der Tontöpfe bildeten und wurden so über Jahrhundert hinweg konserviert“, berichtet Rabinow. Es ist der erste Nachweis solcher Parasiteneier aus einem römischen Tongefäß.

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Der Fund dieser Parasiteneier belegt, dass die Tontöpfe nicht, wie lange angenommen, als Vorratsbehälter dienten, sondern vermutlich das römische Äquivalent zu einem Nachttopf waren. Die römischen Bewohner der Villa in Gerace nutzten die Töpfe demnach als mobile Toiletten. Die Archäologen vermuten, dass diese Töpfe damals unter einem Hocker oder ähnlichen Holzgestellen standen, um den Menschen beim Stuhlgang mehr Bequemlichkeit zu bieten. „Der Topf stammt aus dem Badekomplex der römischen Villa. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Besucher des Bads diesen Nachttopf nutzten, weil das Bad keine eigene Latrine besaß“, erklärt Rabinows Kollege Piers Mitchell.

Die Untersuchung enthüllt damit, dass die schon die Römer Nachttöpfe nutzten. Zudem legt dies nahe, dass die vermeintlich als Vorratstöpfe dienenden konischen Gefäße möglicherweise auch andernorts im Römerreich als mobile Toiletten dienten. Ob das wirklich der Fall war, könnte nun die Suche nach Parasiteneiern auch in den Rückständen dieser anderen Töpfe zeigen. „Unsere Ergebnisse belegen, dass die Analyse von Parasiten wichtige Hinweise für die Erforschung antiker Keramik liefern kann“, sagt Rabinow.

Quelle: University of Cambridge; Fachartikel: Journal of Archaeological Science Reports, doi: 10.1016/j.jasrep.2022.103349

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