Bereits im dritten Jahrtausend vor Christus zankten sich die Menschen um Geld – und das sogar schriftlich und nötigenfalls vor Gericht. Allerdings taten sie dies nicht überall, sondern nur in Hochkulturen wie etwa Mesopotamien. Dabei hatten die Menschen in den damaligen, oft staatlich gelenkten Wirtschaftsformen einen wesentlich größeren ökonomischen Spielraum als bisher angenommen, meint Hans Neumann, Professor für Altorientalische Philologie und Vorderasiatische Altertumskunde an der Universität Münster. Er hat sich mit mesopotamischen Wirtschafts- und Rechtsurkunden eingehend beschäftigt.
Verträge über Ernte, Grundstücksverkauf, Sklavenhandel, ja sogar über den Vertrieb von Zwiebeln wurden in der altorientalischen Gesellschaft oft schriftlich abgeschlossen. Eine viertausend Jahre alte Gerichtsurkunde dokumentiert den Fall des Prokuristen Lu-Ningirsu, der sich darüber ärgerte, dass der Tischler Nigarkidu einen Sessel aus Buchsbaum nicht geliefert hatte. Der Tischler war gestorben und konnte den Auftrag nicht mehr erfüllen. Sein Sohn Baba, der das Tischlergeschäft des Vaters fortführte, verpflichtete sich, den Auftrag bei einer Konventionalstrafe eines hohen Silberbetrages innerhalb von drei Tagen zu erledigen. Dies hatte er zwei Jahre später immer noch nicht getan und wurde deshalb vor Gericht verklagt.
Interessant ist auch, dass Frauen damals schon eine allgemeine Rechts- und Geschäftsfähigkeit besaßen. Aufgefundene Prozessurkunden belegen, dass Frauen vor Gericht sowohl klagen als auch verklagt werden konnten.
Obgleich die Keilschrift, in der diese Dokumente abgefasst wurden, schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts entziffert wurde, interessieren sich die Spezialisten dieses Fachs erst seit den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts für die Erforschung der sozialen Grundlagen des Lebens im Zweistromland. Vorher hatte man sich vor allem der Erschließung der alten Mythen und Epen gewidmet.
Doris Marszk