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Schulden, Lawinen und viel Arbeit

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Schulden, Lawinen und viel Arbeit

Mit dem Titel „Beschreibung des Tawätscherthals“ überschrieb 1806 Pater Placidus Spescha sein Werk, das sich ausführlich mit Geographie, Klima, Orten, öffentlichen Einrichtungen, der Geschichte und den Menschen des Val Tujetsch befasst. Die umfängliche Schrift, die nicht nur beschreibt, sondern engagiert Stellung bezieht, liegt jetzt in einer Edition von Ursula Scholian Izeti vor (Zürich 2009).

Die Talgemeinde mit dem Hauptort Sedrun im Bezirk Surselva (Graubünden) liegt auf 1450 Metern nahe dem Kloster Disentis. Der 1752 geborene Spescha absolvierte Klosterschule und Noviziat in Disentis. Nach einem sechsjährigen Studienaufenthalt im Kloster Einsiedeln kehrte er als Pater Placidus in die Surselva zurück. Spescha war passionierter Bergsteiger. Ihm gelangen mehrere Erstbesteigungen, er besaß eine wertvolle Kristallsammlung und korrespondierte mit verschiedenen Alpenforschern. Der Geistliche engagierte sich für eine Straße von der Surselva über den Lukmanierpass ins Tessin, für die Einrichtung eines Heilbades, für den Bergbau und eine romanische Einheitssprache. Gestorben ist er 1833.

Sorge um die Sicherheit und die Gesundheit der Bewohner im Val Tujetsch sprechen aus seiner „Beschreibung“, etwa aus seinen Überlegungen zum Lawinenschutz. Sein Vorschlag, Tannenwälder anzulegen, wurde später verwirklicht, während die kühne Vision einer neuangelegten, rhombusförmigen, lawinensicheren Stadt auf dem Plateau von Selva Utopie blieb. Modern klingen Speschas Ermahnungen zu „nachhaltiger“ Holzwirtschaft, zur Pflege des Waldes und Anpflanzung vielfältiger Baumarten. Erst nach einem Hochwasser 1834, das durch rücksichtslose Abholzung verstärkt worden war, wurden derartige Maßnahmen umgesetzt.

Besonders lesenswert sind die Ausführungen Speschas zum Gesundheitszustand der Bevölkerung, nicht, weil er medizinisch so bewandert gewesen wäre, sondern vielmehr, weil er in seiner Kritik bisheriger Verhaltensweisen zahlreiche Anhaltspunkte für die Lebenswirklichkeit der Bergbewohner vor 200 Jahren gibt. Auch wenn er in manchem übertrieben haben mag, so wird deutlich, unter wie harten Bedingungen gerade die kleinen Kinder aufwachsen mussten; die Kindersterblichkeit war tatsächlich besonders hoch. So klagt er: „… man wäscht die Bett- und Kleiderzeüge zu selten und zu unrein, man läßt das Stroh und die Strohsäcke verfaulen und verstinken; man badet die Kinder zu selten oder nie … man läßt sie von Kindern oder alten Mummen verpflegen, aufheben, führen und tragen, aber auch von ihnen fallen, erdrucken und verderben …“ Spescha plädiert dagegen zeittypisch für eine stärkere Beachtung der Hygiene. Die extrem hohe Arbeitsbelastung der Mütter, die bis in die hohe Schwangerschaft die schwere Feldarbeit verrichten mussten, besserte die Situation nicht. Schließlich bemerkt der Autor einen besonderen Hang zur Traurigkeit bei den Bewohnern und führt dies auf die in der Tat extrem hohe Schuldenlast zurück, die die Bewohner aus Not auf sich laden mussten. „Dieser Last bekümmert die Einwohner, er beunruhigt sie Tag und Nacht, er macht sie traurig und niedergeschlagen und beynache Verzweifelend …“, schreibt Spescha.

Quelle: Dr. Heike Talkenberger
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