In einem gemeinsamen Forschungsprojekt des Linden-Museums Stuttgart und der Universität Tübingen wird nach neuen Wegen im Umgang mit dem kolonialen Erbe ethnologischer Museen gesucht. Neben der Frage nach der Herkunft der Objekte geht es vor allem darum, wie eine zeitgemäße museale Darstellung von Kultur und kulturelle Differenz aussehen könnte.
Das Linden-Museum zählt zu den größten ethnologischen Museen Europas und verfügt über eine entsprechend umfangreiche Sammlung an Ausstellungsobjekten aus aller Welt. Der Großteil der Objekte kam auf unterschiedlichsten Wegen im Zuge der kolonialen Expansion des deutschen Kaiserreiches nach Stuttgart. Einige der Objekte wurden gestiftet, andere gekauft, wieder andere kamen als koloniale Beute ins Museum. Oft herrscht sogar vollkommene Unklarheit darüber, welchen Weg die Exponate genommen haben.
Wegen dieser unklaren bis dubiosen Herkunftsgeschichte vieler Ausstellungsgegenstände und auch der Art und Weise, wie „kulturell Fremdes“ lange präsentiert wurde, stehen ethnologische Museen einer zunehmend skeptischen Öffentlichkeit gegenüber. Neben der Frage nach der Provenienz, also der Herkunft der Objekte, wird auch darüber debattiert, wie ein zeitgemäßer Umgang mit ethnologischen Sammlungen aussehen sollte.
In einem gemeinsamen, interdisziplinär konzipierten Forschungsprojekt mit der Universität Tübingen sucht das Linden-Museum jetzt Antworten auf beide Fragen. Das zweijährige Projekt „Schwieriges Erbe: Forschungsprojekt zum museologischen und wissenschaftlichen Umgang mit kolonialzeitlichen Objekten in ethnologischen Museen“, das durch die Exzellenzinitiative an der Universität Tübingen gefördert wird, trägt laut Museumsdirektorin Inés de Castro Pilotcharakter und konzentriert sich zunächst auf Gegenstände aus Samoa und Namibia. Da die kolonialzeitliche Provenienzforschung ein noch weitestgehend unerschlossenes Feld ist, geht es den Forschern vor allem darum, am Beispiel von Samoa und Namibia eine Systematik zu entwickeln, die sich später auch auf andere Fälle anwenden lässt. Eine Rückgabe von Objekten steht nicht im Fokus des Projekts.
Neben der Rekonstruktion der Herkunftsgeschichte der Objekte sollen Ausstellungsmethoden entwickelt werden, welche die Multiperspektivität, aus der ein einzelner Gegenstand betrachtet werden kann, deutlich machen. So soll kulturelle Differenz und Pluralität für den Besucher erfahrbar werden. Um diesem selbst gesetzten Anspruch auf Pluralität gerecht zu werden, sollen neben Wissenschaftlern auch Aktivistengruppen und Vereine kooperativ in das Projekt eingebunden werden. Außerdem wird im Rahmen des Forschungsprojektes eine internationale Tagung stattfinden, die vom Land Baden-Württemberg gefördert wird.