Eine gemeinsame Ausstellung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück / Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst gibt Einblicke in das Schicksal sowjetischer Militärmedizinerinnen, die nach ihrer Gefangennahme 1943 durch deutsche Truppen ins KZ Ravensbrück verschleppt wurden.
Insgesamt 34 Millionen Soldaten hat die Rote Armee während des gesamten Zweiten Weltkrieges mobilisiert. Bisher wenig bekannt ist, dass es sich unter ihnen auch etwa eine Millionen Frauen befand, welche mehrheitlich im Sanitätsdienst eingesetzt wurden. Hier stellten sie einen relevanten Anteil der Truppengattung, 41 Prozent der sowjetischen Frontärzte waren weiblich.
Schicksal weiblicher russischer Kriegsgefangener bisher kaum erforscht
Im Laufe des Krieges gerieten 5,7 Millionen sowjetische Soldaten in deutsche Gefangenschaft, wo sie unter furchtbaren Bedingungen zu leben hatten und oft auch starben. Nur 2,5 Millionen Gefangene überlebten den Krieg. Die hohen Todeszahlen waren Ergebnis einer ideologisch motivierten, bewusst in Kauf genommenen Unterversorgung der Gefangenen durch das NS-Regime. Wie hoch der Anteil der gefangenen Frauen war, ist aufgrund schwieriger Quellenlage unklar, es ist deshalb auch weitgehend unerforscht, ob sich die Lebensumstände gefangener Frauen wesentlich von denen ihrer männlichen Kameraden unterschieden.
Die Ausstellungsmacher gehen aber davon aus, dass Frauen, die Teil der kämpfenden Truppe waren, besonders zu leiden hatten, da sie von der NS-Propaganda als Sinnbild für die Widernatürlichkeit der Gesellschaftsordnung in der Sowjetunion dargestellt wurden. Soldaten und SS-Männern wurde mitgeteilt, „russische Flintenweiber“ seien besonders fanatisch, weswegen gegen sie besonders entschieden vorgegangen werden müsse.
Anders gestaltet sich die Rolle der gefangenen Medizinerinnen: Zum einen wurden sie nicht als potenziell tödliche Bedrohung wahrgenommen, zum anderen wurden ihre Fähigkeiten für die Krankenversorgung innerhalb der Lager gebraucht. Deshalb erhielten sie eine privilegierte Behandlung, die ihre Lebenserwartung deutlich erhöhte. Die Wahrnehmung der Frauen durch die Lagerverwaltung als Fachkräfte und die Tatsache, dass im Vergleich zu den restlichen Insassen proportional mehr Medizinerinnen überlebten, machen ihr Schicksal deutlich besser rekonstruierbar.
Die Ausstellung zeichnet die Biografien von 500 Militärärztinnen nach, die 1943 in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück eingeliefert wurden, nachdem sie sich geweigert hatten, Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie zu leisten.
Rüchkehrern wurden zuhause Kollaboration vorgeworfen
Dass über dieses Kapitel des Zweiten Weltkrieges bisher nur so wenig Beachtung fand, hängt auch mit der Kriegsgefangenpolitik der Sowjetunion zusammen: Soldaten und Soldatinnen, die sich hatten gefangen nehmen lassen, waren dem Vorwurf des Verrats ausgesetzt, viele von ihnen mussten nach ihrer Rückkehr in die Sowjetunion auch dort Zwangsarbeit leisten. Deshalb war erlittene Kriegsgefangenschaft ein soziales Stigma und bis Mitte der 1990er Jahre ein öffentlich unterdrücktes Thema.
Die Ausstellung, die von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) gefördert wird und mit Unterstützung durch das Militärmedizinische Museum Sankt Petersburg zustande kam, ist vom 18. März bis zum 19. Juni 2016 im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst zu sehen. Der Eintritt ist frei.