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Spannender DNA in Sedimenten auf der Spur

Anthropologie

Spannender DNA in Sedimenten auf der Spur
Probenahme an einem imprägnierten Sedimentblock für die Analyse alter DNA. (Bild: MPI f. evolutionäre Anthropologie)

Auf welche Weise hat das Erbgut die Jahrtausende überdauert, das in den letzten Jahren im Boden von archäologischen Stätten entdeckt wurde? Durch die Untersuchung von in Kunstharz eingebetteten Sedimentproben von zahlreichen Fundorten zeigen Forscher nun auf, dass die DNA in mikroskopisch kleinen Knochen- und Kotpartikeln konzentriert vorliegt. Aus Mikroproben dieser „Hotspots“ lassen sich dabei beträchtliche Mengen von menschlichem oder tierreichem Erbgut gewinnen, zeigen die Wissenschaftler unter anderem im Fall der Denisova-Höhle auf. Als Untersuchungsmaterial eignen sich dabei auch bereits vor Jahrzehnten in Kunstharz präparierte Sedimentproben, geht aus der Studie hervor.

Lange standen eher nur handfeste Funde im Fokus – dem Bodenmaterial schenkten Archäologen und Anthropologen bei Ausgrabungen hingegen eher wenig Beachtung. Doch in den letzten Jahren hat sich das geändert. Denn es zeigte sich, dass in Sedimenten wichtige Hinweise auf einstige Lebewesen überdauert haben können: Erbgutreste. Sie werden bisher durch bestimmte Analyseverfahren aus losen Bodenproben extrahiert und anschließend analysiert. „Die Gewinnung alter menschlicher und tierischer DNA aus Sedimenten bietet aufregende neue Möglichkeiten, die Besiedlungsgeschichte von Menschen und anderen Organismen an Orten zu untersuchen, an denen Skelettüberreste kaum oder gar nicht vorhanden sind“, sagt Matthias Meyer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

In Kunstharz präparierte Proben im Visier

Im Rahmen ihrer Studie sind Meyer und seine Kollegen nun der Frage nachgegangen, wo genau die alte DNA im Sediment steckt. Dazu untersuchten sie Sedimentblöcke, die sie zuvor aus archäologischen Stätten entnommen und in kunststoffähnlichem Harz (Polyester) getränkt hatten. In einigen Fällen wurde diese Behandlung auch schon in den letzten Jahrzehnten zur Präparation von Sedimenten durchgeführt. Durch die Untersuchung solcher Proben klärten die Forscher deshalb auch, inwieweit sich dieses teils lange gelagerte Archivmaterial noch für Untersuchungen von DNA-Resten eignet. Für die Studie wurden alle Untersuchungsmaterialien im Labor in Scheiben geschnitten und dann mikroskopischen und genetischen Untersuchungen unterzogen. Das internationale Team analysierte auf diese Weise auch Sedimentblöcke aus der Denisova-Höhle im Altai-Gebirge in Südzentral-Sibirien. Dort wurde bereits zuvor alte DNA von Neandertalern, Denisovanern und modernen Menschen im Sediment nachgewiesen.

Wie die Forscher erklären, ermöglichte der Einsatz der imprägnierten Sedimentblöcke eine gezielte und detaillierte Entnahme von Proben für DNA-Analysen aus den Feinstrukturen. Dabei zeigte sich nun, dass die alte DNA nicht gleichmäßig im Sediment verteilt ist. Sie konzentriert sich hingegen auf kleine „Hotspots“ – insbesondere in mikroskopisch kleinen Knochen- und Kotpartikeln. „Diese Studie bringt uns damit einen großen Schritt weiter, wenn es darum geht zu verstehen, wo und unter welchen Bedingungen alte DNA in Sedimenten konserviert wird“, resümiert Co-Autor Mike Morley von der Flinders University in Adelaide. Was die Proben aus der Denisova-Höhle betrifft, zeigte sich: „Die hohe Erfolgsrate bei der Gewinnung alter Säugetier-DNA aus den Sedimenten der Denisova-Höhle ist auf die Fülle von Mikroresten in der Sedimentmatrix zurückzuführen und nicht auf an Mineralkörnern angeheftete DNA aus Fäkalien, Körperflüssigkeiten oder sich zersetzendem Zellgewebe“, sagt Co-Autorin Vera Aldeias von der University of Algarve in Portugal.

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Potenzial für die Forschung

Die Forscher konnten zudem verdeutlichen, dass sich auch bereits lange gelagerte Proben für Analysen eignen: Es gelang ihnen, DNA aus einer Sammlung von Sedimentblöcken zu extrahieren, die in den letzten vier Jahrzehnten an Ausgrabungsstätten in Afrika, Asien, Europa und Nordamerika entnommen worden waren. „Dass diese Blöcke trotz der oft jahrzehntelangen Lagerung in Plastik eine hervorragende Quelle für alte DNA sind, einschließlich der von Homininen, eröffnet den Zugang zu einem riesigen, bisher ungenutzten Reservoir an genetischen Informationen“, sagt Morley. „Die Studie eröffnet damit eine neue Ära der Erforschung alter DNA: In Laboren gelagerte Proben können nun erneut untersucht werden“.

Auch für konkrete Ergebnisse konnten die Wissenschaftler im Rahmen ihrer Studie bereits sorgen: Es gelang ihnen, aus Proben der Denisova-Höhle erhebliche Mengen an DNA von zwei männlichen Neandertalern zu gewinnen, die sich mit bekannten genetischen Informationen vergleichen ließen. So konnten sie belegen, dass diese Individuen zu einer Population gehörten, die mit einem Neandertaler verwandt war, dessen Genom zuvor aus einem in der Höhle entdeckten Knochenfragment rekonstruiert worden war. „Die in diesen kleinen Proben von in Plastik eingebettetem Sediment enthaltene Neandertaler-DNA war viel konzentrierter als das, was wir normalerweise in losem Sediment finden“, sagt Erstautor Diyendo Massilani vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Mithilfe dieser Technologie könnte es zukünftig gelingen, die DNA vieler verschiedener vergangener Menschen aus nur einem kleinen Würfel verfestigten Sediments zu gewinnen“, so der Wissenschaftler.

Quelle: Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2113666118

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