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Symbol für Unterdrückung und Freiheitsliebe

Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst

Symbol für Unterdrückung und Freiheitsliebe
Als „Schicksalsberg“ gefürchtet: Der Hohenasperg mit seiner Gefängnisfestung. (Foto: Stadt Asperg)

Auf dem Hohenasperg bei Ludwigsburg zeigt ein neues Museum die Geschichte des gleichnamigen Festungsgefängnisses. Über drei Jahrhunderte diente das 1535 erbaute Bollwerk den württembergischen, später auch den gesamtdeutschen Herrschern als Gefängnis. Dort hielt die Obrigkeit allerdings nicht nur Kriminelle gefangen. Berühmtheit erlangte der Hohenasperg vor allem durch die vielen politischen Gefangenen, die in der Festung eingesperrt waren. Dichter, Dissidenten und Revolutionäre, Kriegsgefangene, Regimegegner des Nationalsozialismus und Angehörige verfolgter Minderheiten – sie alle litten unter der Haft in dem berühmten Gefängnis. Dementsprechend beschäftigt sich das Museum vor allem mit den Themen der staatlichen Unterdrückung und des Kampfes um Freiheit und politische Rechte.

Der Hohenasperg war stets ein Symbol für die Macht der Herrschenden. Durch seine exponierte Stellung auf dem Berg weithin sichtbar, ermahnte dieses Zeichen der Staatsgewalt doch stets dazu, nicht aufzubegehren – sonst würde man selbst dort in Ketten gelegt. Schnell verbreiteten sich für den Hohenasperg Namen wie „Schicksalsberg“ oder „Hausberg der schwäbischen Intelligenz“. Friedrich Schiller trug den Ruf der Festung über die Grenzen Württembergs hinaus. War er doch aus Furcht, dort eingesperrt zu werden, aus dem Land geflohen. Zuvor hatte er zusehen müssen, wie dieses Schicksal seinen Freund Christian Friedrich Daniel Schubart ereilte. Der Dichter ist der wahrscheinlich berühmteste Häftling des Hohenaspergs.

Anhand von 22 ausgewählten Gefangenen-Biographien zeigt das neue Museum nun die Geschichte des Festungsgefängnisses. Bewusst haben die Kuratoren die Menschen in den Mittelpunkt gestellt. Besonders interessant ist dabei die Auswahl der Beispiele. Vertreten sind sowohl prominente als auch bislang unbekannte Namen. Die Persönlichkeiten stammen dabei aus drei Jahrhunderten. Das Spektrum reicht vom 1738 verurteilten und hingerichteten Joseph Süß Oppenheimer bis zu Günter Sonnenberg, dem RAF-Mitglied, das 1977 auf den Hohenasperg verbracht wurde.

Die Charaktere sind dabei höchst unterschiedlich, die Einzelschicksale spannend. Indem die Ausstellung die Menschen in den Vordergrund stellt, vermittelt sie den Besuchern nicht nur die historischen Hintergründe zu den Insassen, sondern gewährt zudem Einblicke in deren Innenleben.

Wie grundverschieden die Insassen waren, verdeutlicht der Umstand, dass sowohl Opfer als auch Täter der Nationalsozialisten in Hohenasperger Gefängniszellen saßen. Zwischen 1933 und 1945 sperrte der NS-Staat viele seiner Opfer dort ein. Darunter Politiker unterschiedlicher Couleur: der Kommunist Walter Häbich ebenso wie Eugen Bolz von der katholischen Zentrumspartei. 1940 nutzte das Regime den Hohenasperg zwischenzeitlich als Deportationslager für die südwestdeutschen Sinti und Roma. Einer davon war der damals 15-jährige Hermann Weiß, dessen Geschichte nun Teil der Ausstellung ist. Nach dem Krieg dagegen traf es einen der Täter: den SS-Kommandeur Karl Jäger. Als Kopf des SS-Einsatzkommandos 3 hatte er die Ermordung von 137.000 litauischen Juden organisiert. 1959 ließ ihn die bundesdeutsche Justiz nach Asperg bringen. Einige Monate später fanden ihn die Wärter erhängt in seiner Zelle auf.

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Einen Schwerpunkt setzt die Ausstellung allerdings auf die Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848. Nach dem gescheiterten Umsturz saßen auf dem Hohenasperg besonders viele politische Gefangene ein. Diese Jahre prägten wie kaum eine andere Epoche den Ruf der Festung als Symbol der Unterdrückung. Somit verwundert es nicht, dass sieben der 22 vorgestellten Personen „48er“ sind. Zu ihnen gehören etwa Fürst Constantin von Waldburg-Zeil, Gottlieb Rau oder Theobald Kerner.

Bis heute ist die Festung ein Sinnbild für Unterdrückung geblieben. Gleichzeitig aber steht sie heute auch für Freiheitsliebe und Zivilcourage. Denn die Geschichten der Insassen erzählen davon, dass sie den Mut hatten, sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen und für Freiheit und Recht einzutreten. Dabei sind es gerade die individuellen menschlichen Schicksale, die so aussagekräftig sind. Sie machen die zentrale Botschaft des Museums greifbar und persönlich nachfühlbar.

„Das Museum macht uns klar, was für ein kostbares Gut die Freiheit und wie schmerzhaft ihr Verlust ist“, fasst Dr. Dietrich Birk die Kernaussage des Museums zusammen. Der Staatssekretär im baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, bezeichnete die Geschichte des Hohenasperg bei der Eröffnungsfeier des Museums als ein großes Erbe, das gepflegt werden müsse. Gerade gegenüber den jüngeren Generationen soll der Wert der Freiheit und der Schrecken willkürlicher oder systematischer Unterdrückung vor Augen gehalten werden.

Die Ausstellung im Museum Hohenasperg ist chronologisch aufgebaut und führt vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Zu jedem der Insassen erfahren die Besucher die Hintergründe der Inhaftierung, lernen dann aber anhand von Original-Exponaten und Lichtprojektionen mehr über den Menschen und dessen Gedanken- und Gefühlswelt während der Haft. Zu jedem Gefangenen gibt es zudem ein „Fernrohr“, mit dem sich nach außen blicken lässt. Buchstäblich wird hier die Außenperspektive sichtbar: die Sicht der damaligen Außenwelt auf die Gefangenen und deren öffentliche Darstellung.

Am Ende der Tour durch die Ausstellung steht ein Lesesaal. Dort können die Besucher noch einmal ihre Eindrücke Revue passieren lassen und sich mit Dossiers und Büchern zu den 22 vorgestellten Persönlichkeiten weiter informieren. Dort gibt es zudem eine Gefangenen-Datenbank. Am Computer lässt sich hier über Insassen aus verschiedenen Abschnitten der deutschen Geschichte recherchieren. Besonders interessant ist dabei, wie sich die Haftanlässe von Epoche zu Epoche unterscheiden und wie somit auf spezielle Weise Macht ausgeübt wurde.

Das Museum Hohenasperg hat saisonal von April bis Oktober geöffnet, jeweils donnerstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.

Quelle: Jan Müller
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