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Troja – der Krieg geht weiter

Geschichte|Archäologie

Troja – der Krieg geht weiter
Mehrere Monate lang stritten die Wissenschaftler über ein Buch, das es noch gar nicht gab: „Homers Heimat“ von Raoul Schrott. Jetzt ist es erschienen. Ein Kommentar des bdw-Archäologie-Experten Michael Zick.

Bescheidenheit gehört sicher nicht zu den Charaktereigenschaften des österreichischen Dichters, vergleichenden Literaturwissenschaftlers und Übersetzers Raoul Schrott. „Über Homer weiß man nur eines: nämlich nichts“, sagt er. Aber Raoul Schrott weiß nach einjähriger Nebenbei-Recherche alles: Homer diente den Assyrern als Schreiberling, er war nicht blind, aber Eunuch, und sein grandioses Epos Ilias spielt nicht in Troja an den Dardanellen in der Nordwestecke der heutigen Türkei, sondern in Karatepe in Kilikien an der südlichen Mittelmeerküste Kleinasiens.

Ein solcher Affront, vorgetragen auf vier voluminösen Seiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, rief zum Jahreswechsel – sicher nicht unerwünscht – Reaktionen quer durch die deutschsprachigen Feuilletons hervor. Die wütenden, hämischen oder amüsierten Stellungnahmen von Homerforschern und Altorientalisten gebaren einen irrlichternden PR-Knallfrosch für ein Buch, das es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab. Ein Schelm, wer da Zusammenhänge vermutet.

Homerforscher schmähten den Schriftsteller als „Dilettanten“ und Fantasten. Der Gescholtene keilte zurück und disqualifizierte seine Gegner als Dogmatiker und Ideologen, die nicht auf der Höhe der Wissenschaft seien. Fest steht: Die Person Homer, die Entstehung von Ilias und Odyssee, der Ort des großen Krieges, sein historischer Hintergrund und die Geschichten um Troja werfen so viele Fragen auf, wie ein anatolischer Hund Flöhe hat. Auch nach über 200 Jahren intensiver Forschung gibt es Unklarheiten in wichtigen Details und herzhaften bis harten Streit unter den Wissenschaftlern.

Aber ob man die Probleme so angehen kann, wie Raoul Schrott es in seinem jetzt vorliegenden Buch („Homers Heimat“, Hanser, € 24,90) tut, darf bezweifelt werden. Ein paar Beispiele: Aus dem kilikischen Namen „h-aka-b“ die Frau des Priamos „Hekabe“ herauszulesen und aus „Kaazi“ seine Tochter „Kassandra“, ist pure Klangklingelei. Wenn ein assyrischer König sich in einer Inschrift brüstet, einen Besiegten gehäutet zu haben, sieht Schrott darin die Vorlage für die Ilias-Episode, in der Achilleus die Leiche des Trojaners Hektor mehrfach durch die Gegend schleift. Wo es ihm in seine Beweisführung passt, nimmt er die Troja-Geschichten wörtlich, wenn es hakt, reklamiert er mythologische Überhöhung in der Dichtung. Auch dass er biblische Daten und Berichte als zuverlässiger einstuft als die assyrischen Annalen, befremdet. Und: Dass Eisen noch im ersten Jahrtausend vor Christus teurer als Gold gewesen sei, entspricht nicht den Tatsachen. Schrott betont immer wieder, dass er die Einflüsse aus dem Orient auf die griechische Kultur „neu entdeckt“ habe – dabei konnten bdw-Leser diese Erkenntnis der Forschung schon mehrfach in ihrem Blatt lesen.

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Der Dichter Raoul Schrott beruft sich bei seiner „ wissenschaftlichen“ Beweisführung auf die – von ihm so genannte – „kumulative Evidenz“: Viele Einzelbefunde sollen das neue Bild ergeben. Doch eine solche Indiziensammlung ist fragwürdig bis anrüchig, denn aus Unmengen von Mosaiksteinchen kann man natürlich jede Menge unterschiedlicher Bilder zusammenlegen. Welches davon der Wahrheit am nächsten kommt, muss eingeordnet und bewertet werden – erst so entsteht Wissenschaft. Michael Zick

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