„Amerikanische Anzeigen reproduzieren beispielsweise Konzepte, die sich in vielerlei Hinsicht an einer zum Mythos gewordenen Pionierzeit orientieren, in der die Siedler die Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis immer weiter nach Westen vorantrieben“, sagt Temath. „Sie betonen häufig Größe, Kraft und Geländegängigkeit und stellen das Auto inmitten unberührter Natur dar. Der Autofahrer wird so selbst zum Pionier und Eroberer“, erklärt sie weiter.
In deutschen Anzeigen werden dagegen selbst Geländewagen stets auf der Straße abgebildet. Auch steht in Deutschland der Maschinencharakter des Wagens im Vordergrund, was sich gut aus der Namensgebung deutscher Fahrzeuge ableiten lässt, sagt Temath. Die meisten deutschen Autos werden nüchterner benannt, beispielsweise „Audi A8 3.2 FSI quattro“. Damit wird der Wagen, der oft in einer sterilen Studio- oder Asphaltkulisse präsentiert wird, als technisch-wissenschaftliche Attraktion inszeniert, die der Fahrer kühl kontrolliert. US-amerikanische Automarken benennen ihre Wagen dagegen nach wilden Tieren, Indianern und Entdeckern – wie „Eagle“ (Adler), „Pontiac“ (Häuptling des Stammes der Ottawa) oder „De Soto“ (Entdecker des Südostens der heutigen USA).
Waren die beiden Reklamewelten Anfang der 1980er noch klar getrennt, mit der deutschen Sachlichkeit auf der einen und der amerikanischen Emotionalität auf der anderen Seite, konnte die Wissenschaftlerin für den Jahrgang 2005/2006 eine Angleichung belegen. „Dominanz, Aggression und Patriotismus haben nach wie vor in amerikanischen Anzeigen einen höheren Stellenwert, aber die Ästhetik des automobilen Designs, Freiheitserleben und Individualität gehören mittlerweile sowohl in neueren amerikanischen als auch in neueren deutschen Anzeigen zu den quantitativ wichtigsten Themen“, sagt Temath. „Zusammenfassend weisen die Ergebnisse des Vergleichs auf die Herausbildung eines globalen Stils in der Autowerbung hin, der hauptsächlich visuell kommuniziert und emotionales Erleben in den Vordergrund stellt. Kulturell bedingte Unterschiede sind insgesamt weniger deutlich ausgeprägt, aber nicht verschwunden“, so das Resümee von Bettina Temath.