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Überraschungen im Wikingerlager

Geschichte|Archäologie

Überraschungen im Wikingerlager
Neues über die Lager der Wikinger in Großbritannien haben Forscher bei Ausgrabungen in Torksey herausgefunden. (University of Sheffield)

Bei ihrer Eroberung Englands überwinterten die Wikinger oft in befestigten Lagern. Wie überraschend groß diese Armeelager waren und welchen vielfältigen Zwecken sie dienten, enthüllten nun Ausgrabungen nahe dem englischen Ort Torksey. Dort lebten Tausende von Wikingern samt Frauen und Kindern, trieben Handel, produzierten Münzen und führten ein verblüffend „normales“ Alltagsleben.

Der große Angriff

Im neunten Jahrhundert rüsteten sich die Wikinger zu ihrem großen Angriff: Statt wie bisher nur kurze Raubzüge in den englischen Küstengebieten durchzuführen, drangen sie ab dem Jahr 865 mit einer großen Armee immer weiter ins Landesinnere vor. Bis zum Jahr 879 hatten sie große Teile der angelsächsischen Königreiche im Osten und Norden Englands erobert. Ihre Machtbasis waren gut geschützte Siedlungen, die ihnen als Armeestützpunkte dienten.

Wo jedoch diese Wikinger-Stützpunkte lagen und wie das Leben in ihnen aussah, war bisher nur in Teilen bekannt. Um dies zu klären, haben Archäologen unter Leitung von Dawn Hadley von der University of Sheffield eines dieser mutmaßlichen Wikingerlager im Rahmen eines Ausgrabungsprojekts erforscht. Das Lager lag nahe des Ortes Torksey an den Ufern des Flusses Trent in Lincolnshire und wurde von den Wikingern im Jahr 872/73 zum Überwintern genutzt.

Mehr als nur ein reines Armeelager

Die Ausgrabungen enthüllten, dass das Wikingerlager deutlich größer war als bisher angenommen. Es erstreckte sich über 55 Hektar und war damit größer als viele Dörfer und Städte der damaligen Zeit, wie die Forscher erklären. Strategisch günstig lag das Lager auf einer Anhöhe, die eine wichtige Furt durch den Fluss überblickte und die im Winter bei Hochwasser teilweise sogar zu einer gut zu verteidigenden Insel wurde.

In dem größtenteils aus Zelten bestehenden Wikingerlager lebten vermutlich mehrere tausend Wikingerkrieger, aber auch Frauen und Kinder, wie Hadley und seine Kollegen berichten. Darauf deuten Nähnadeln, Broschen, Kinderspielzeug und hunderte weiterer Alltagsgegenstände hin. „Das Wikingerlager in Torksey war sehr viel mehr als nur ein Stützpunkt einer Handvoll hartgesottener Krieger“, sagt Hadley. „Dies war eine gewaltige Basis mt Händlern, Familien, großen Festen und Unterhaltung.“

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Unter anderem förderte die Suche mit Metalldetektoren mehr als 300 Spielfiguren aus Blei zutage. „Das spricht dafür, dass die Wikinger und ihre Familien viel spielten, um sich die Zeit bis zum Frühling und der nächsten Offensive zu vertreiben“, so die Forscher.

Arabische Silbermünzen und Hackgold

Die archäologischen Funde deuten darauf hin, dass die Wikinger in Torksey sogar eine eigene Metallverarbeitung betrieben und selbst Münzen prägten. Die Wissenschaftler entdeckten hunderte angelsächsiche Münzen, mehr als 50 Stücke von zerkleinertem Silber, darunter auch Fragmente von Schmuckstücken, sowie fertige Silberbarren. Außerdem fanden sich mehr als 200 Bruchstücke von Werkstücken aus Kupferlegierungen und von Kupferschmelzen.

Unter den Fundstücken waren auch 124 arabische Silbermünzen, die über die Handelswege der Wikinger aus dem Mittelmeerraum nach England gelangt sein müssen. „Sie waren alle in kleinere Stücke zerhackt, was darauf hindeutet, dass sie eher wegen ihres Silbergehalts behalten wurden als wegen ihres monetären Werts“, sagt Hadley. Er und seine Kollegen vermuten, dass die Wikinger damals ungemünztes Edelmetall als kulturübergreifende Währung nutzten – den Wert bestimmte das Gewicht des Silbers.

Ungewöhnlich ist allerdings der Fund von Hackggold in Torksey, wie die Archäologen erklären: „Anders als Hacksilber taucht Gold in jeder Form nur selten in den Wikingerschätzen aus Großbritannien auf“, sagt Hadley. Man nahmm daher an, dass Gold für die Wikinger eher als Statussymbol diente, nicht als Transkaktionsmittel. „Doch die bemerkenswerte Konzentration von Goldfunden in Torksey scheint darauf hinzudeuten, dass diese Wikinger durchaus Gold für Transaktionen nutzten“, so die Forscher.

Völlig neue Einblicke

Wie die Archäologen betonen, werfen die Funde von Torksey ein ganz neues Licht auf die Lager der großen Wikingerarmee und ihre Funktion. Sie waren größer, bevölkerungsreicher und wohlhabender als bisher aufgrund anderer Lagerrelikte angenommen. Zudem dienten sie offensichtlich als Armeestützpunkt und Wirtschaftszentrum zugleich. Wie das Leben in einem solchen Wikingerlager im neunten Jahrhundert aussah, zeigt nun eine von den Forschern auf Basis ihrer Funde entwickelte VR-Simulation. Sie ist im Rahmen einer neuen Ausstellung im Yorkshire Museum in York zu erleben

Quelle: University of Sheffield, Fachartikel: The Antiquaries Journal, doi: 10.1017⁄s0003581516000718
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