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Verehrt, verkannt, vergessen

Geschichte|Archäologie

Verehrt, verkannt, vergessen

Helden: verehrt – verkannt – vergessen, lautete in diesem Jahr das Thema des Ge-schichtswettbewerbs des Bundespräsidenten. Thematisch passend wurden nun am 20. Juli – dem Jahrestag des Hitlerattentats von Graf von Stauffenberg – im neuen Stuttgarter Schloss die baden-württembergischen Landessieger geehrt.

„Glücklich das Land, dass keine Helden nötig hat.“ Mit diesem Satz von Berthold Brecht wurde die Landespreisverleihung vom baden-württembergischen Staatssekretär Georg Wacker eröffnet. Er verdeutlichte damit zugleich die Problematik vergan-gener Heldenverehrung und der schwierigen Frage, welche Rolle Heldenbilder in der heutigen Zeit noch spielen. Der Leiter des Hauses der Geschichte Baden-Württembergs Dr. Thomas Schnabel hob in einem Interview im Rahmen der Veranstaltung hervor, dass es eine Zeit gab, in der man alte Helden stürzte und Helden-verehrung verweigerte. Er spielte damit auf die Studentenbewegung der späten 60er Jahre an und hielt fest, dass vor vierzig Jahren wahrscheinlich niemand auf die Idee gekommen wäre, ein solches Thema in einem Geschichtswettbewerb auszugeben. Im Vordergrund des Wettbewerbs stand daher eher die Konstruktion und der Wandel von Heldenbildern. Zudem sollte von den Schülern die Frage bearbeitet werden, wel-che Kriterien von Bedeutung sind um heute als Held zu gelten.

Die Aufgabenstellung wurde in vielfältiger und aufschlussreicher Weise von den Teilnehmern gemeistert. Von den Schülern wurde nicht etwa Schulbuchwissen abver-langt. In ihren Forschungsarbeiten sollten sie Fragestellungen selbstständig entwi-ckeln und unter Anleitung ihrer Lehrer nah an historischen Quellen arbeiten. So bestachen die prämierten Arbeiten, die von Schülerinnen und Schülern aus allen Alters- und Schulgruppen verfasst wurden, mitunter durch umfangreiche Archivarbeit und Zeitzeugenbefragungen. Häufig wurden von den Schülern „stille Helden“ recherchiert, die beispielsweise in der Zeit des Nationalsozialismus aus ihrem Gewissen heraus, trotz persönlicher Risiken, beachtenswert gehandelt haben. Insbesondere verdeutlichten die Arbeiten, dass die begriffliche Differenzierung des Heldenbegriffs hin zum „Vorbild für heutige gesellschaftliche Werte“ von Bedeutung ist.

Zunächst wurden auf der Landespreisverleihung die Arbeiten der zwanzig Förder-preisträger gewürdigt. Die Urkundenübergabe an die zwanzig Landespreisträger wur-de anschließend in drei thematischen Blöcken vorgenommen. Ein erster Block widmete sich dem Thema „Widerstand und stille Helden der NS-Zeit“. Mitunter waren es ganz persönliche Portraits der Schüler, die Menschen aus ihrem familiären oder regi-onalen Umfeld vorstellten. Die prämierten Arbeiten thematisierten beispielsweise die zweifelhaften Heldenrollen gefallener Soldaten in der Kriegspropaganda. Demgegenüber standen in anderen Arbeiten Schicksale einzelner Retter von Verfolgten im Mittelpunkt. Zum Teil brachten die Schüler hierbei Persönlichkeiten zum Vorschein, die bis heute kaum von der Öffentlichkeit honoriert werden. Ein weiterer Beitrag stellte den noch heute verehrten Sepp Herberger hinsichtlich fehlender Auseinandersetzung mit seiner NS-Vergangenheit in Frage. Im zweiten Block wurden Projekte mit dem Thema „Für Demokratie, Frieden und Freiheit“ ausgezeichnet. Vor allem der politische Widerstand in der NS-Zeit wurde hierbei von den Landespreisträgern beleuchtet. Auch Arbeiten zu Persönlichkeiten der deutschen Revolution von 1848/49 wurden prämiert. Der dritte Block „Helden(-bilder) im Wandel“ beschrieb und bewertete vornehmlich in ihrer Anerkennung strittige Figuren der Geschichte. Beispielswei-se untersuchte ein Karlsruher Projekt das gesellschaftliche und mediale RAF-Bild, indem es Interviews mit Angehörigen des RAF-Terroristen Thimmes und des ermor-deten Generalstaatsanwalts Buback führte und gegenüberstellte.

Die zwanzig Landespreisträger kommen nun in die Bundesauswahl des Geschichts-wettbewerbs, bei dem unter allen Landessiegern schließlich fünf Arbeiten auswählt werden. Diese werden am 6. November im Schloss Bellevue als Bundessieger von Präsident Horst Köhler geehrt. Auf der Landesebene wurden die Verleihungen von historischen Museen juriert und organisiert. Die Stuttgarter Preisverleihung, die von dem Funk- und Jazzquartett „Four on the floor“ musikalisch untermalt wurde, veranstaltete das Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Ein Hauptanliegen des Geschichtswettbewerbs, der 1973 auf Initiative von Bundespräsident Gustav Heinemann und des Unternehmers Kurt A. Körber ins Leben gerufen wurde, ist der hiesigen Geschichtskultur Impulse zu geben. Den Schülern soll mit der methodenbewussten Aufgabenstellung zudem ein verantwortungsvoller Umgang mit Geschichte nä-hergebracht werden. Hinsichtlich der Landespreisträger in Baden-Württemberg ist dies dem Wettbewerb bei der Heldenthematik auf hohem Niveau gelungen. Dies befand auch Staatsekretär Wacker, der den Siegern die Urkunden überreichte. Am Ende seines Vortrags formulierte er mit Verweis auf die Differenziertheit der eingereichten Arbeiten den Satz Berthold Brechts um und stellte fest: „Glücklich das Land, das solche Helden hat.“

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Quelle: Fabian Stetzler
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