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Verstörende Szenen eines vermeintlich normalen Alltags

Forschung

Verstörende Szenen eines vermeintlich normalen Alltags

Die Sonderausstellung „Das Gesicht des Gettos“ im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors zeigt Fotografien aus dem Getto Lodz zwischen 1940 und 1944. Noch bis zum 3. Oktober zeigt die Berliner Stiftung eine Auswahl von Bildern jüdischer Fotografen, auf denen diese die Zustände im Getto festgehalten haben. Das Besondere an diesen Fotografien ist, dass sie einerseits Tod und Schrecken dokumentieren, auf der anderen Seite aber auch Szenen eines scheinbar normalen Alltags widergeben.

Letztere Aufnahmen sind von ganz eigener Eindringlichkeit. Sie zeigen Facetten aus dem Leben einer Zwangsgemeinschaft von Menschen, die den Tod vor Augen hatten und doch ihre Menschlichkeit und ihre Würde nicht aufgegeben haben. Verstörend wirken Fotos von Beobachtungen, die in einem anderen Kontext völlig banal erscheinen würden: Spielende Kinder, Hochzeiten, Liebespaare. Vor dem historischen Hintergrund aber erscheinen derartige Szenen menschlicher Normalität geradezu surreal.

Im Getto von Litzmannstadt, wie Lodz während der deutschen Okkupation Polens von den Besatzern genannt wurde, waren im Frühjahr 1940 über 160.000 polnische Juden auf engstem Raum zusammengepfercht und von der Außenwelt isoliert. Im Herbst 1941 kamen zirka 20.000 aus westeuropäischen Städten deportierte Juden hinzu, darunter 4.000 Berliner. Auch 5.000 Roma aus dem Burgenland brachten die Deutschen nach Lodz, um sie innerhalb des Gettos in ein eigenes „Zigeunerlager“ zu sperren.

Zwischen der Einrichtung des Gettos im Februar 1940 und dessen gewaltsamer Auflösung im Sommer 1944 kamen dort mehrere zehntausend Menschen ums Leben. Zumeist starben sie an Hunger und Entkräftung oder an den Folgen von Krankheiten, verursacht durch die katastrophalen hygienischen Zustände. Noch weitaus mehr Opfer forderten jedoch die Deportationen aus Lodz in das Vernichtungslager Chelmo (Kulmhof) und ab Mitte 1944 in die Konzentrationslager Auschwitz, Sachsenhausen und Ravensbrück. Allein in Auschwitz starben 1944 schätzungsweise zwischen 65.000 und 67.000 Menschen aus dem Lodzer Getto.

Das Lodzer Getto gilt heute als das am besten dokumentierte Getto der Nazi-Zeit. Zwar hatten die Deutschen jegliches Fotografieren verboten, dennoch gab es einige offizielle jüdische Fotografen. Im Auftrag der von den Deutschen installierten jüdischen Selbstverwaltung, dem so genannten „Judenrat“, schossen sie Fotos für Verwaltungsdokumente, für die Statistikabteilung, für die Getto-Zeitung und für weitere Zwecke.

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Neben ihren dienstlichen Motiven bannten diese Fotografen aber auch Szenen aus allen Bereichen des Gettolebens auf Film. Mit ihren illegalen Aufnahmen gingen Fotografen wie Mendel Grossman und Henryk Ross als Chronisten von Lodz in die Geschichte ein. Es gelang ihnen, ihre Fotosammlungen zu verstecken und somit dem Zugriff der Deutschen bei der Auflösung des Gettos zu entziehen.

Heute befinden sich zirka 12.000 erhaltene Kontaktabzüge von Fotos aus dem Getto im Staatsarchiv der Stadt Lodz. Die Stiftung Topographie des Terrors zeigt nun eine Auswahl dieser Bilder in ihrem Dokumentationszentrum in der Berliner Niederkirchnerstraße.

Quelle: Jan Müller
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