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Vertrieben Dürren die Wikinger aus Grönland?

Siedlungsgeschichte

Vertrieben Dürren die Wikinger aus Grönland?
Blick auf verlassene Siedlungsstrukturen der einstigen europäischen Bewohner auf Grönland. © RUBEN RAMOS/iStock

Fast 500 Jahre hatten die Wikinger den Herausforderungen auf der kargen Insel getrotzt – warum kam dann im 15. Jahrhundert das Aus für die Siedlungen auf Grönland? Neue Hinweise auf die lokale Klimaentwicklung im fraglichen Zeitraum legen nun nahe, dass zunehmende Trockenheit den Siedlern zu schaffen machte und nicht die Kälte, wie bisher angenommen. Vermutlich konnte das Vieh nicht mehr ausreichend ernährt werden und so brach eine der Lebensgrundlagen der Grönländer weg, erklären die Forscher.

Der berühmte Seefahrer Erik der Rote hat der Überlieferung zufolge im Jahr 986 die ersten Siedler von Island zur Südspitze Grönlands gebracht. Die Wikinger hatten es dabei unter anderem auf die Stoßzähne der dortigen Walrosse abgesehen: Die Siedler konnten das mittelalterliche Europa mit kostbarem Elfenbein beliefern. Eine wichtige Grundlage ihrer Ernährung auf der kargen Insel bildete die Viehhaltung: Die Siedler befreiten das Land von Sträuchern, sodass Weiden für ihre Rinder, Schafe und Ziegen entstanden. So konnte sich schließlich eine florierende und zunächst stabile Kolonie entwickeln. Doch gegen Ende des Mittelalters ging es bergab – die Siedlungen wurden allmählich verlassen. Im 15. Jahrhundert verlieren sich dann die Spuren der letzten europäischen Bewohner der Insel. Anschließend lebten nur noch die indigenen Inuit auf Grönland.

Was führte zum Aus?

Was zum Untergang geführt hat, gilt bis heute als unklar. Vermutlich handelte es sich um eine Mischung aus verschiedenen Faktoren. Die schwindende Nachfrage nach Walross-Elfenbein, die Ausbreitung der Inuit und die Pest könnten eine Rolle gespielt haben, ging aus früheren Studien hervor. Als ein grundlegender Faktor gilt zudem ein klimatischer Wandel. Man ging bisher davon aus, dass der Niedergang mit dem Beginn der sogenannten Kleinen Eiszeit zusammenhing – einer Periode außergewöhnlich kalten Wetters am Ende des Mittelalters. Doch wie die Forscher um Raymond Bradley von der University of Massachusetts Amherst erklären, gab es bisher dazu keine Daten vom genauen Standort der Wikingersiedlungen, sondern nur aus weiter nördlich gelegenen Bereichen Grönlands. „Wir wollten deshalb nun genauer untersuchen, wie sich das Klima in der Nähe der nordischen Bauernhöfe verändert hat“, sagt Bradley.

Die Forscher untersuchten dazu Sedimentbohrkerne aus einem See, der an einen ehemaligen Wikinger-Bauernhof angrenzt und in der Nähe einer der größten Gruppen von Farmen im östlichen Siedlungsbereich der einstigen Grönlandkolonie liegt. Das Probematerial umfasste dabei den Zeitraum der letzten 2000 Jahre. Bei ihren Analysen standen zwei Marker in den Schichten im Visier: Bei dem einen handelt es sich um ein Lipid namens BrGDGT, das von Bakterien gebildet wird. Es kann Hinweise auf einstige Temperaturbedingungen liefern, erklären die Forscher. „Wenn die Aufzeichnungen vollständig genug sind, kann man die sich verändernden Strukturen der Lipide direkt mit Temperaturveränderungen in Verbindung bringen“, sagt Co-Autorin Isla Castañeda. Beim zweiten Marker handelt es sich um die Überreste von wachsartigen Beschichtungen von Pflanzenblättern im Sediment. Sie können als ein Indikator dafür dienen, wie feucht oder trocken die Bedingungen an einem Standort einst waren.

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Zu trocken statt zu kalt

Wie das Team berichtet, ergaben sich überraschenden Befunde: „Wir haben herausgefunden, dass sich die Temperatur während der Ära der Grönlandsiedlungen nur wenig änderte. Wir stellten aber eine zunehmende Trockenheit im Lauf der Zeit fest“, sagt Erstautor Boyang Zhao. Wie er und seine Kollegen erklären, stellte dies wohl eine größere Bedrohung für die Überlebensfähigkeit der Menschen dar als die geringfügigen Temperaturveränderungen. Denn ein trockeneres Klima beeinträchtigte wohl die Grasproduktion, die vor allem für die Überwinterung des Viehs wichtig war. In Grönland agierten die Bauern ohnehin bereits an den nördlichen Grenzen des Möglichen. Unter diesen Umstanden wären die Folgen von Dürren schwerwiegend gewesen, sagen die Wissenschaftler.

Neben anderen wirtschaftlichen und sozialen Belastungen könnte die zunehmende Trockenheit das System so weit destabilisiert haben, dass die Siedlungen nicht mehr aufrechterhalten werden konnten, resümieren Bradley und seine Kollegen. „Die Studie verändert unser Verständnis der europäischen Geschichte und unterstreicht, wie wichtig es ist, weiterhin zu untersuchen, wie Umweltfaktoren die menschliche Gesellschaft beeinflussen können“, kommentiert die University of Massachusetts Amherst dazu abschließend.

Quelle: University of Massachusetts Amherst, Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abm4346

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