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Vierte Ahnengruppe der Europäer entdeckt

Geschichte|Archäologie

Vierte Ahnengruppe der Europäer entdeckt
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Eingang der Satsurblia Höhle in Georgien, aus der einer der beiden Funde stammt. Fot: Eppie Jones
Wer waren die Urahnen der heutigen Europäer? Einblicke in diese Frage hat nun Erbgut ermöglicht, das Forscher den Überresten zweier über zehntausend Jahre alten Menschen aus Georgien entlockt haben. Die genetischen Vergleiche zeigten, dass sie einer Population entstammten, welche die vierte Ahnenlinie der heutigen Europäer bildete. Nachdem das Ende der Eiszeit die Isolation dieser Menschengruppe im Kaukasus beendet hatte, floss ihr Erbe in die sogenannte Jamnaja-Kultur ein, die sich dann vor etwa 5000 Jahren nach Westeuropa ausbreitete.

Kühle und trockene Bedingungen haben es ermöglicht: In den Überresten zweier Individuen, die Forscher in Höhlen Georgiens entdeckt haben, hat Erbgut die Jahrtausende überdauert. Datierungen zufolge lebte einer der beiden Männer vor etwa 13.000 und der andere vor rund 10.000 Jahren. Dem internationalen Forscherteam gelang es schließlich, aus den Überresten beider Funde genetische Informationen zu gewinnen. Anschließend konnten sie die erhaltenen Sequenzen mit anderen bekannten Genomen vergleichen, um die Menschengruppe, der die beiden Männer entstammten, in den menschlichen Ahnenbaum einzuordnen.

Ahnenkunde mittels Paläogenetik

In den genetischen Merkmalen spiegelt sich den Forschern zufolge wider: Diese Menschen entstammten einer Population, die sich von den westlichen Jägern und Sammlern kurz nach der „Out of Africa“ -Expansion vor etwa 45.000 Jahre abgespalten  und sich schließlich im heutigen Georgien niedergelassen hatte. Während sich ihre Verwandten in Europa und dem nahen Osten ausbreiteten, blieb diese Gruppe durch die wachsenden Frost-Barrieren der Eiszeit im Kaukasus etwa 15.000 Jahre lang isoliert, belegen spezielle Merkmale in ihrem Erbgut. Als das Ende der kalten Ära sie jedoch befreite, wurden sie schließlich zur vierten Ursprungsgruppe der Europäer, berichten die Forscher. Sie mischten sich mit osteuropäischen Menschen, aus denen dann die Jamnaja-Kultur entstand: Hirten, die sich vor 5000 Jahren nach Westen ausbreiteten und ihre Fähigkeiten bei der Metallbearbeitung mit sich brachten.

Letztlich gingen sie dann in der europäischen Bevölkerung auf, so dass heute fast alle Bevölkerungsgruppen Europas Spuren des Erbguts der einst isolierten Kaukasus-Menschen tragen. „Die Frage, wie die Menschen der Jamnaja-Kultur entstanden sind, war bislang ein Geheimnis“, sagt Andrea Manica von der Cambridge University. „Nun scheint klar, dass es sich um eine Mischung aus osteuropäischen Jägern und Sammlern und der einst isolierten Kaukasus-Bevölkerung handelte. Diese Menschen bildeten somit die vierte große Ursprungslinie der europäischen Urbevölkerung“, resümiert  Manica.

Weitverbreitetes Erbe der Kaukasus-Menschen

Zuvor waren drei Ursprungslinien bekannt: Im Anschluss an die „Out of Africa“ -Expansion wanderten einige Jäger-Sammler-Gruppen nach Nordwesten und besiedelten schließlich  Bereiche von Spanien bis nach Ungarn. Andere Populationsgruppen siedelten rund um das östliche Mittelmeer und die Levante. Hier entwickelten sie vor etwa 10.000 Jahren die Landwirtschaft. Diese frühen Bauern breiteten sich dann über Europa aus. Vor etwa 5000 Jahren kam es dann zu einer dritten Migrations-Welle vom Zentrum Eurasiens nach Westeuropa – die der Jamnaja.

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Während sie das Erbe der Kaukasus Jäger-Sammler-Vorfahren nach Westen brachten, geschah allerdings wohl auch Ähnliches in östlicher Richtung, legen die Erbgutvergleiche der Forscher nahe: Es muss auch eine Migrationsbewegung nach Südasien gegeben haben. „Die Bevölkerung Indiens kennzeichnet eine Mischung aus asiatischen und europäischen Komponenten. Die Jäger-Sammler-Vorfahren des Kaukasus bilden nun die beste Übereinstimmung, die wir für die europäische genetische Komponente gefunden haben“, sagt Eppie Jones vom Trinity College Dublin.

Sein Kollege Ron Pinhasi fügt hinzu: „Die Sequenzierung der Genome von dieser Schlüsselregion hat große Bedeutung auf dem Gebiet der Paläogenomik und für das Verständnis der menschlichen Entwicklung, da sich nun eine wichtige Lücke in unserem Wissen geschlossen hat.“ Die Forscher hoffen nun auf weitere Erkenntnisse dieser Art. Co-Autor David Lordkipanidze vom georgischen Nationalmuseum sagt:  „Ich bin sicher, wir werden bald mehr paläogenetische Informationen aus unserer reichhaltigen Sammlung von Fossilien erhalten.“

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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