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Von Arglist und Grobheit

Vom Grossschwaben-Traum zum Südweststaat

Von Arglist und Grobheit

Eine Bauernsatire voll beißenden Spotts und wütender Kritik verfasste der reformierte Pfarrer Aegidius Henning 1674. Seine „Bauernanatomie“ steht in der Tradition der Standes-satire, wie etwa das „Narrenschiff“ des Sebastian Brant von 1494. Noch im 17. Jahrhundert erfreute sich dieses Genre großer Beliebtheit. Dass der sehr belesene und ambitionierte Henning einen derartigen Text verfasste, lag aber nicht nur an der Popularität der Textsorte, sondern an seiner persönlichen Lebenssituation. Als Sohn eines angesehenen Hof- und Stadtpfarrers hatte er sich nach seinem Studium in Bremen, Kassel, Herborn und Basel eine ähnliche Karriere erträumt. Doch der Vater starb früh, der junge Henning reüssierte auf diversen dörflichen Pfarrstellen im Hessischen nicht. So blieb er über viele Jahre Seelenhirte des kleinen Orts Eichen (nahe Hanau), ein Bürger unter Bauern. Statt der erhofften Anerkennung fand der Pfarrer aus seiner Sicht nur Starrsinn, Aberglaube, schlechtes Benehmen und Unbildung bei seinen bäuerlichen Schützlingen, die sich seiner frohen Botschaft hartnäckig verweigerten. Kapitelüberschriften wie „Was für halsstarrige Menschen die Bauern sind“ oder „Wie die Bauern den lieben Sonntag so schändlich entheiligen“ zeugen von Hennings Zorn.

Doch die „Bauernanatomie“ ist nicht nur ein Zeugnis der Frustration, die Schrift, sachkundig herausgegeben und kommentiert von dem in Frankfurt lehrenden Historiker Jürgen Müller (CoCon Verlag, Hanau 2010), gewährt spannende Einblicke in die dörfliche Welt des 17. Jahrhunderts, in eine Zeit, die noch zutiefst geprägt war von den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges. So schreibt Henning, die Bauern seien in ihren Sitten verwildert und benähmen sich inzwischen genauso „schlimm“, wie es die Soldaten getan hätten. Diebstahl, unmäßiges „Tabakschlürfen“ schon bei Kindern, Fluchen und Rachsucht seien an der Tagesordnung. Hilfsbereitschaft fände man gar nicht mehr, denn es herrsche die Angst, die Hilfeleistung werde später als „Gewohnheit“ immer wieder eingefordert.

Das trotz des gescheiterten Bauernkriegs noch immer vorhandene Selbstbewusstsein der Bauern, das der Autor allerdings als Lüge und Betrug interpretiert, kann man aus dem Kapitel „Wie sich die Bauern allgemein so arm stellen“ lesen. Dort heißt es: „Neulich hörte ich, dass eine Bauerngemeinde eine ganz bekannte und richtige Schuld in Grund und Boden geleugnet hat und vor die Obrigkeit gegangen ist und sich vor Schuld und Zahlung gänzlich drücken wollte“.

Quelle: Dr. Heike Talkenberger
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