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War Hitler ein starker Wahlkämpfer?

Geschichte|Archäologie

War Hitler ein starker Wahlkämpfer?
Veränderung des NSDAP-Wahlanteils in Kommunen zwischen den Reichstagswahlen 1930 und 1932. Rote Punkte markieren Hitlers Auftrittsorte. (Bild: Simon Munzert und Peter Selb)

Seine öffentlichen Auftritte entfalteten enorme Verführungskraft, heißt es – Adolf Hitler gilt als einer der einflussreichsten Redner in der Geschichte. Eine Untersuchung der Wahlkampf-Auftritte Hitlers und der Wahlergebnisse zwischen 1927 und 1933 relativieren nun allerdings dieses Bild. Der unmittelbare Einfluss der 455 deutschlandweiten Auftritte Hitlers auf die Wählerentscheidung war demnach erstaunlich gering. Für den anfänglichen Erfolg der Nazis waren offenbar eher andere Faktoren als die Auftritte des Parteiführers ausschlaggebend, sagen die Historiker.

Es war eine erstaunliche Erfolgsgeschichte mit weitreichenden Folgen: In der Zeit zwischen 1927 und 1933 konnte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ihr Wahlergebnis von kümmerlichen drei auf mächtige 44 Prozent steigern. Als ein wichtiger Faktor dieses Erfolges galten bisher die starken Kampagneneffekte des Wahlkampfs der Nazis. Im Gegensatz zu seinen politischen Konkurrenten setzte Hitler neue Konzepte und auch Technik für seine Reden ein, wie etwa Lautsprecher. Zeitzeugen und Historiker attestieren seinen Auftritten eine enorme Wirkungskraft. Außerdem reiste Hitler mit dem Flugzeug von Ort zu Ort. Dies ermöglichte ihm flächendeckende Präsenz in Deutschland und ein Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit, wie sie für damalige Verhältnisse beispiellos war.

Hitlers Auftritten auf der Spur

Um genauer zu erfassen, welche Effekte die Auftritte Hitlers konkret besaßen, haben Peter Selb von der Universität Konstanz und Simon Munzert von der Hertie School of Governance in Berlin die Wahlstatistiken aus 1000 Landkreisen und Bezirken sowie aus 3864 Kommunen zwischen 1927 und 1933 analysiert. Sie kombinierten diese Auswertungen mit Informationen über Hitlers Kampagnenrouten, der Anzahl der Teilnehmer bei den einzelnen Veranstaltungen sowie mit NSDAP-Parteimitgliedszahlen. Die Daten analysierten sie dann durch die statistische Methode der „Differenz von Differenzen“ – sie verglichen die Entwicklung von Wahlergebnissen in Gebieten, in denen Hitler öffentliche Reden hielt, mit den Entwicklungen in ähnlichen Regionen, in denen er nicht auftrat.

„Wir sind überrascht, wie marginal der Effekt von Hitlers Wahlauftritten war“, resümieren Selb und Munzert das Ergebnis. Die Datenauswertung belegte nur geringe Auswirkungen, die zudem räumlich und zeitlich sehr begrenzt waren. Den Wissenschaftlern zufolge schlug Hitlers persönliches Engagement nur in der Stichwahl um das Amt des Reichspräsidenten von 1932 nennenswert positiv zu Buche, die nach einem intensiven und einseitigen Wahlkampf stattgefunden hatte. Dabei schätzen die Autoren den Effekt auf einen bis zwei Prozentpunkte Stimmenzuwachs für die NSDAP in Landkreisen und Bezirken, in deren unmittelbarer Nähe Hitler vor der Wahl einen öffentlichen Auftritt absolvierte. Unterm Strich brachte dies etwa zwei Millionen zusätzliche Stimmen, die aber nicht den Wahlsieg ermöglichten.

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Wenig Einfluss als Wahlkämpfer

„Es ist erstaunlich, dass die öffentlichen Auftritte und Reden, die Hitler in seinen frühen Jahren als Populist und Parteiführer hielt, nicht besonders einflussreich waren“, resümieren Selb und Munzert. Frühere Untersuchungen hatten auch bereits die Bedeutung der wirtschaftlichen und politischen Zeitumstände für den rasanten Aufstieg der NSDAP in den Vordergrund gerückt. Ausschlaggebend waren demnach Massenarbeitslosigkeit, mangelnde Unterstützung für die Demokratie, die Entfremdung zwischen etablierten Parteien und Wahlvolk sowie die Schwäche staatlicher Institutionen. „Wir können bestätigen, dass die Bedeutung Hitlers als charismatischer Redner demgegenüber zurücktritt“, so Selb und Munzert. Erst nach 1933 entfaltete die Rhetorik Hitlers dann ihre volle Wirkung, wie aus anderen Studien hervorgeht: Im Zuge der Gleichschaltung erreichte die Nazi-Propaganda mit Hitler an der Spitze eine starke Durchschlagskraft, die das Verhalten der Menschen und ihre Gesinnung langfristig prägen sollte.

Quelle: Universität Konstanz, American Political Science Review

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