Das menschliche Gehirn liebt Klatsch und Tratsch: Es speichert Informationen aus Klatschgeschichten über Bekannte und Freunde sehr viel präziser ab als sachliche Informationen, haben britische Wissenschaftler nachgewiesen. Die hohe Priorität, die das Gehirn solchen meist eher unzuverlässigen Informationen einräumt, hilft ihrer Ansicht nach dabei, sich im sozialen Umfeld zurechtzufinden ? denn nur wer richtig einschätzt, welche Gruppe gerade mit welcher anderen verbündet oder verfeindet ist, kann seine eigene gesellschaftliche Stellung behaupten.
Für ihre Studie zum Thema Klatsch verwendeten Alex Mesoudi von der
Universität im schottischen St. Andrews und seine Kollegen eine schriftliche Variante der
„Stillen Post“: Sie ließen zehn Freiwillige jeweils vier kurze Texte lesen und baten sie anschließend aufzuschreiben, woran sie sich erinnerten. Diese Statements gaben die Forscher einer weiteren Gruppe von Probanden, die ebenfalls lesen und schriftlich rekapitulieren sollte. Nach vier solcher Runden wurden die resultierenden Texte mit den ursprünglichen verglichen und der Grad an Übereinstimmung und Vollständigkeit bestimmt.
Besonders gut im Gedächtnis geblieben waren den Teilnehmern demnach die Texte, die neben einer Personenbeschreibung auch pikante Details zu Themen wie Lügen und Untreue enthalten hatten, entdeckten die Forscher. Bei diesen Berichten war sowohl die Menge als auch die Genauigkeit der transportierten Informationen am größten. Am schlechtesten schnitten dagegen die Texte ab, die ausschließlich Fakten zu einer Person enthielten.
Da Menschen als sozial lebende Spezies extrem von anderen Menschen abhängen, benötigen sie so viele Informationen wie möglich über deren Verhalten und soziale Stellung ? und genau solche Informationen liefern Klatschgeschichten, erklären die Forscher diese Vorliebe. Sie vermuten sogar, dass es eher die komplexen sozialen Strukturen als die rein technischen Anforderungen an die Umgebung waren, die die menschliche Intelligenz in der Frühzeit der menschlichen Entwicklung geprägt haben. Die Sucht nach Klatsch wäre demnach ein spätes Erbe dieser Prägung, kommentiert Studienleiter Mesoudi.
New Scientist, 18. Februar, S. 11 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel