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Wie der Schwarze Tod nach Europa kam

Geschichte|Archäologie

Wie der Schwarze Tod nach Europa kam
Der Schwarze Tod
Der "Schwarze Tod" raffte ein Drittel der europäischen Bevölkerung dahin. (Foto: Crisfotolux/ iStock)

Genvergleiche liefern neue Hinweise darauf, wie der Erreger der mittelalterlichen Pest nach Europa gelangte. Demnach könnte das Aufblühen des Pelzhandels mit Russland und Zentralasien eine entscheidende Rolle für die Ausbreitung der Seuche gespielt haben. Sowohl über die Hanse und die Häfen Hamburg, Lübeck und London als auch über die Krim und das Schwarze Meer könnten damals flohverseuchte Pelze und Schiffsratten die Pest nach Europa gebracht haben.

Die Pest ist eine der großen Seuchen der Menschheitsgeschichte. Schon seit der Bronzezeit befällt das Bakterium Yersinia pestis den Menschen und verursacht in seiner häufigsten Form Fieber, schmerzende Beulen in Achselhöhlen und Leisten und im schlimmsten Fall den Tod durch Organversagen. Am schlimmsten wütete der „Schwarze Tod“ im 14. Jahrhundert, als er in Europa rund ein Drittel der Bevölkerung dahinraffte. Heute ist klar, dass der Erreger dieser Pandemie seinen Ursprung in Asien hatte.

Pesttote als Zeitzeugen

Doch bisher war unklar, über welche Wege der Pesterreger damals Europa erreichte. Ebenso strittig ist, ob sich die Bakterien nach ihrer ersten Einschleppung dauerhaft in Europa etablierten oder ob sie immer wieder aufs Neue aus Asien in den Westen gelangten. „In bisherigen Studien wurden dafür zwei Szenarien vorgeschlagen“, erklären Amine Namouchi von der Universität Oslo und ihre Kollegen. Im ersten Fall wurde der Pesterreger nur einmal aus Asien eingeschleppt. Weil sich das Bakterium aber in tierischen Reservoirwirten wie Ratten und Flöhen in Westeuropa halten konnte, kam es auch in den folgenden Jahrhunderten immer wieder zu Neuausbrüchen. Das zweite Szenario geht davon aus, dass es ein Reservoir in Osteuropa oder Zentralasien gab, von dem aus die Seuche über Handelsrouten und durch Migrationen immer wieder nach Westen gelangte.

Pesttoter
Gebeine eines Pesttoten aus der Toskana (Foto: Elsa Pacciani and Luisa Quaglia)

Um mehr Klarheit über die Ausbreitungswege des „Schwarzen Todes“ zu erhalten, haben nun Namouchi und sein Team das Erbgut von Yersinia pestis aus fünf Pesttoten aus dem 14. Jahrhundert analysiert. Die Toten stammen aus vier archäologischen Fundstätten in Südfrankreich, den Niederlanden, aus der Toskana und aus Oslo in Norwegen. Die Forscher verglichen das Genom der Pesterreger mit denen bereits bekannter Pestfälle aus dieser Zeit und mit 126 bekannten Stämmen dieses Bakteriums. Zusätzlich zogen sie zeitgenössische Dokumente wie Testamente, Eigentumsurkunden und anderes zur Rekonstruktion der Ereignisse hinzu.

Pelzhandel als Seuchenbringer?

Die Auswertungen haben nun neue Hinweise darüber geliefert, wie der Pesterreger nach Europa eingeschleppt wurde. Demnach könnte der im Mittealter aufblühende Pelzhandel mit Russland und Zentralasien eine Schlüsselrolle dafür gespielt haben. „Während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erlangten Bolgar und Nowgorod in Russland eine wirtschaftliche Dominanz als bedeutende Handelszentren für Pelze“, berichten die Wissenschaftler. „Über die Hanse erhielt Nowgorod damals Zugang zum westeuropäischen Markt und verschiffte große Mengen von Pelzen über die Häfen von Hamburg und Lübeck nach London.“

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Ein zweites Einfallstor für die Pest war der Pelzhandel über den Landweg: „In den 1340er Jahre gab es einen signifikanten Wandel in den Routen des Pelzhandels, denn eine neue Landroute, die Sarai an der südlichen Wolga mit Tana und Caffa verband, wurde etabliert“, so Namouchi und ihre Kollegen. Von der Krim-Hafenstadt Caffa am Schwarzen Meer wurden die Güter dann durch das Seehandelsnetz der Genueser weiter verteilt. „Diese Ereignisse stimmen zeitlich sehr gut mit dem Beginn des Schwarzen Todes überein“, erklären die Forscher. Die Ausweitung des Pelzhandels könnte demnach erklären, wie die Pest aus Zentralasien über Russland erst ans Schwarze Meer und von dort aus weiter nach Europa gelangte.

In mehreren Wellen durch Europa

Mithilfe der Genvergleiche konnten die Forscher auch in Teilen rekonstruieren, wie sich die Pesterreger anschließend in Westeuropa ausbreiteten. Demnach starben die Pesttoten in Oslo und Südfrankreich durch den Erregerstamm, der im Jahr 1348 auch in London und Barcelona wütete. Im gleichen Jahr breitete sich ein sehr ähnlicher Stamm vom Hafen von Pisa bis nach Florenz und Siena in der Toskana aus. „Er wurde wahrscheinlich über die Via Francigena, eine stark frequentierte Pilgerstraße bis nach Siena getragen“, so die Forscher.

Der Seuchenausbruch im niederländischen Bergen op Zoom dagegen wurde von einer späteren Variante des Pesterregers verursacht, die auch in London und im russischen Bulgar Todesopfer forderte. „Dieser Stamm kann der Welle von Ausbrüchen zugeordnet werden, der das mittelalterliche Europa im Jahr 1361 heimsuchte -auch als ‚pestis secunda‘ bekannt“, berichten Namouchi und ihre Kollegen. „Dieser Stamm könnte sich von Bergen op Zoom aus verbreitet haben.“

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1812865115

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