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Wie die Nazi-Propaganda Juden dehumanisierte

Geschichte|Archäologie

Wie die Nazi-Propaganda Juden dehumanisierte
Zeitdokumente
Bilder und Texte aus dem Dritten Reich in der Ausstellung Topographie des Terrors.© hanohiki/ iStock

Im Dritten Reich nutzten die Nationalsozialisten antijüdische Propaganda nicht nur, um Stimmung gegen Juden zu machen. Die Wortwahl von Veröffentlichungen aus der Nazizeit sprechen auch dafür, dass die Juden in Vorbereitung auf den Holocaust bewusst dehumanisiert wurden: Im Vorfeld der Massenvernichtung sprach ihnen die Propaganda immer stärker die Fähigkeit zu Gefühlen und Moral ab. Nach Beginn des Holocaust wurden die Juden zusätzlich dämonisiert und als bösartig porträtiert, wie Historiker berichten.

Wenn es um Massentötungen und andere Gräueltaten geht, scheint sich im Vorfeld häufig ein bestimmter Trend zu zeigen: „Die Täter solcher Massenmorde versuchen, ihre Opfer zu dehumanisieren“, erklären Alexander Landry von der Stanford Graduate School of Business in Kalifornien und seine Kollegen. Dabei sprechen die Täter ihren Opfern fundamentale menschliche Empfindungen und Gefühle ab und versuchen sie damit zu entmenschlichen. Dies soll, so die Theorie, die Hemmschwelle zur Gewalt bei den Ausführenden senken und ihre Taten akzeptabel machen.

Nationalsozialistische Propaganda im Blick

Auch für den Holocaust und die Nationalsozialisten wird diskutiert, ob es in der Propaganda des Dritten Reichs eine solche systematische Dehumanisierung der Juden gab. Bisher gab es dazu aber widersprüchliche Interpretationen. Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Landry und sein Team daher für ihre Studie digitalisierte Dokumente aus dem Deutschen Propagandaarchiv untersucht. Dieses enthält hunderte von Postern, Flugblättern und Pamphleten ebenso wie Zeitungsartikel und die Transkripte von politischen Reden aus der Zeit des Dritten Reichs.

Für ihre Analyse entwickelten die Forscher ein Verfahren, um gezielt in den Texten aus der Zeit von 1927 bis 1945 nach Wörtern zu suchen, die negative Wertungen von Juden ausdrückten. Diese werteten sie dann mithilfe eines linguistischen Programms aus, um nach Indizien für eine Dehumanisierung zu suchen. Insgesamt analysierten sie auf diese Weise mehr als 57.000 Wörter aus 140 verschiedenen nationalsozialistischen Propagandatexten. Zum Vergleich untersuchten die Historiker auf gleiche Weise auch Texte aus dieser Sammlung, in denen es nicht um Juden ging.

Dehumanisierung in zwei Stufen

Die Analysen ergaben, dass sich im Vorfeld der Massenvernichtungen tatsächlich Begriffe in der nationalsozialistischen Propaganda häuften, die den Juden menschliche Regungen und Emotionen absprachen. „Dieses zunehmende Absprechen von menschentypischen Empfindungen und Erfahrungen passt zur der Annahme, dass eine solche Dehumanisierung moralische Bedenken im Vorfeld einer Gewalttat verringert und diese so erleichtert“, erklären Landry und seine Kollegen. Indem die Juden in der Propaganda als „Untermenschen“ dargestellt wurden, sprach man ihnen gewissermaßen die Menschenwürde ab und damit auch die Schutzwürdigkeit ihres Lebens.

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Interessanterweise änderte sich diese Propaganda-Strategie der Nationalsozialisten jedoch mit Beginn der systematischen Massentötungen im Jahr 1941. „Nach dem Beginn des Holocausts beobachten wir eine Zunahme bei Begriffen, die die jüdische Bevölkerung mit Bösartigkeit und finsteren Absichten in Verbindung bringen“, berichten die Historiker. Den Juden wurde nun etwa unterstellt, die Weltherrschaft anzustreben, die Volksgesundheit aktiv zu untergraben oder dem „deutschen Volk“ auf andere Weise zu schaden. „Diese Muster entsprechen einer Dämonisierung der Juden“, so Landry und sein Team. Demnach stellten die Juden ihre intellektuellen Fähigkeiten ganz in den Dienst moralisch verwerflicher Ziele – und erwiesen sich so als „untermenschlich“.

Zusammengenommen bestätigt die Studie damit die Theorie, nach der auch die Nationalsozialisten vor und während des Holocausts ihre Opfer dehumanisierten, um die Ermordung der Juden zu rechtfertigen und „akzeptabler“ zu machen. Dabei setzen sie jedoch je nach Zeitpunkt zwei verschiedene Strategien ein. „Um Gewalt zu bekämpfen, muss man die Motive verstehen, die sie antreiben und fördern“, erklären die Forscher. Die Analyse der Nazi-Propaganda helfe dabei, die Rolle der Dehumanisierung in diesem Kontext zu verstehen.

Quelle: PLOS; Fachartikel: PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0274957

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