Ob ein Kind aus ärmlichen Verhältnissen später den sozialen Aufstieg schaffen kann, hängt neben gesellschaftlichen Faktoren auch mit seinen Genen zusammen. Die Unterschiede im Verhalten und den kognitiven Fähigkeiten lassen sich zumindest teilweise in genetischen Unterschieden begründen. Das legt eine Studie der Universität von Wisconsin in Madison (USA) an 1.100 Zwillingen nahe. Über die Ergebnisse berichten Julia Kim-Cohen und ihre Kollegen in der Fachzeitschrift Child Development (Mai-Ausgabe).
Seit langem interessieren sich Wissenschaftler für die Frage, ob die Menschen mehr durch ihre Gene oder mehr von dem Umfeld geprägt werden, in dem sie aufwachsen. Die Psychologen untersuchten daher für ihre Studie das soziale Umfeld von über 1.100 Müttern und ihren Zwillingskindern im Alter von fünf Jahren. Darunter befanden sich sowohl eineiige als auch zweieiige Zwillinge jeweils gleichen Geschlechts. Zweieiige Zwillinge sind genetisch im Durchschnitt zu fünfzig Prozent identisch, während eineiige exakt die gleiche genetische Ausstattung haben. Viele der Eltern stammten aus ärmlichen Verhältnissen, besaßen eine schlechte Ausbildung und hatten entweder schlecht bezahlte Jobs oder waren arbeitslos.
Die Psychologen verglichen in Tests die Verhaltensweisen und die kognitiven Fähigkeiten der Zwillinge und achteten dabei besondern auf die Unterschiede zwischen ein- und zweieiigen Zwillingen. Die Differenzen in den Verhaltensweisen ließen sich zu siebzig Prozent auf genetische Faktoren zurückführen, während die Unterschiede in den kognitiven Fähigkeiten etwa zu fünfzig Prozent genetisch bedingt waren, ergaben die Untersuchungen.
Ein „Erfolgsgen“ existiert hingegen nicht. Vererbt werden lediglich einige Anlagen, die einem sozialen Aufstieg förderlich sein könnten, erklärt Kim-Cohen. Dazu rechnet sie beispielsweise Anlagen für ein offenes, fröhliches Wesen oder eine schnelle Auffassungsgabe. Ob ein solcher sozialer Aufstieg auch tatsächlich stattfinden kann, hängt jedoch wiederum von gesellschaftlichen Faktoren ab.
Kinder, deren Eltern sich besonders um das Wohl ihrer Kinder kümmerten, zeigten in den Intelligenztests ebenfalls überdurchschnittliche Leistungen und entwickelten einen erfolgversprechenden Charakter. Auch weniger wohlhabende Eltern könnten ihren Kindern stimulierende Erlebnisse zur Förderung der Intelligenz geben, sagt Kim-Cohen.
ddp/bdw ? Oliver Schmid