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Zensierter Text in geheimem Briefwechsel sichtbar gemacht

Marie Antoinette

Zensierter Text in geheimem Briefwechsel sichtbar gemacht
Brief
Überschriebene Passage in einem Brief von Marie Antoinette vom Januar 1792. (Bild: CRC)

Während der Französischen Revolution unterhielt Marie Antoinette, Frau von Ludwig XVI., einen regen Briefwechsel mit dem schwedischen Grafen Axel von Fersen – einem engen Freund und möglicherweise auch Liebhaber. In einigen der bis heute erhaltenen Briefe sind jedoch einige Teile unkenntlich gemacht. Was dort stand und wer die Zensur vornahm, haben nun Forscher mithilfe modernster Technik enthüllt.

Nach dem Sturm auf die Bastille und der weitgehenden Entmachtung des französischen Königs Ludwig XVI. stand die französische Königsfamilie in der Zeit von Juni 1791 bis August 1792 de facto unter Hausarrest in ihrem Palast in den Tuilerien in Paris. Dennoch gelang es Marie Antoinette, der Frau Ludwigs XVI., einen geheimen Briefwechsel mit dem schwedischen Grafen Axel von Fersen aufrechtzuerhalten. Dieser war ein enger Vertrauter der Königin, einigen Gerüchten nach auch ihr Liebhaber.

Rätsel um überkritzelte Passagen

Von diesen Briefen sind einige bis heute erhalten. Sie wurden im Archiv der Familie von Fersen aufbewahrt und gingen 1982 an das Französische Nationalarchiv über. Unter den Schriftstücken sind Briefe von Marie Antoinette an Axel von Fersen, aber auch Entwürfe der Briefe, die der Graf ihr zurückgeschrieben haben muss. Doch in mehreren Briefen sind Passagen durch Überkritzeln mit Tinte absichtlich unkenntlich gemacht. Wer diese Zensur durchführte und welche möglicherweise belastenden Passagen dadurch verborgen werden sollten, ist bis heute ungeklärt.

„Ob es um Staatsgeheimnisse, geheime Fluchtpläne oder eine königliche Liebesaffäre ging, darüber rätseln Historiker schon seit fast 150 Jahren“, erklären Anne Michelin von der Sorbonne Universität in Paris und ihre Kollegen. Das Problem dabei: Weil sowohl für den ursprünglichen Text als auch das aus engen Kringeln bestehende Überschreiben ähnliche Tinte benutzt wurde, ist eine Auftrennung mit den meisten gängigen Multispektral-Methoden kaum möglich. Michelin und ihr Team gingen daher einen anderen Weg: Sie nutzten die Röntgenfluoreszenz-Spektroskopie, um die Elementzusammensetzung der Tinten zu bestimmen und dabei mögliche subtile Unterschiede aufzudecken.

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Überschriebene und teilweise wieder lesbar gemachte Passage im Brief von Marie Antoinette vom Januar 1792. (Bild: CRC)

Verräterische Formulierungen

In den Analysen der überschriebenen Partien in 15 Briefen zeigten sich tatsächlich an vielen Stellen leichte Unterschiede zwischen der Tinte des Brieftextes und den verdeckenden Kritzeleien. Vor allem die Kupfer-zu-Eisen und Zink-zu Eisen-Verhältnisse der Tinten unterschieden sich, wie das Team berichtet. Das machte es möglich, mithilfe computergestützter Auswertung einige erste Wörter der zensierten Textstellen zu entziffern. Unter den unkenntlich gemachten Passagen verbargen sich demnach vor allem emotionsgeladene Begriffe wie „Liebe“, „geliebter Freund“, „Liebster“ oder das Satzfragment: „Sie, den ich liebe und lieben werde bis an mein…“.

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Dies könnte dafür sprechen, dass die Zensur vor allem potenziell belastende Zeugnisse einer Liebesbeziehung verbergen sollten. Allerdings betonen Michelin und ihre Kollegen auch, dass bisher nur Bruchteile der zensierten Passagen entziffert wurden. Hin zu komme: „Selbst wenn wir die Passagen lesbar machen, können wir damit dennoch nicht sicher sein, die wahre Natur ihrer Gefühle zu kennen, denn die Interpretation von Texten ist immer eine heikle Sache“, schreibt das Forschungsteam.

Der Graf selbst nahm die Zensur vor

Weitaus klarer ist dagegen, wer die Textpassagen in diesen Briefen unkenntlich gemacht hat: Ein graphologischer Schriftvergleich in Kombination mit Übereinstimmungen in den Tinten enthüllte, dass es Axel von Fersen selbst gewesen sein muss. Offenbar erstellte er von einigen Briefen, die er von Marie Antoinette erhalten hatte, eigenhändige Abschriften, die er dann selbst zensierte. „Er entschied sich dafür, die Briefe zu behalten, statt sie zu zerstören. Aber dass er einige Abschnitte redigierte, deutet darauf hin, dass er die Ehre der Königin – oder vielleicht auch seine eigenen Interessen schützen wollte“, erklären Michelin und ihre Kollegen.

An einer Stelle wird dies besonders deutlich: In einem Brief von Marie Antoinette strich von Fersen die Textpassage „Der Brief vom 28. machte mich glücklich“ aus und ergänzte dafür handschriftlich die sachlichere Formulierung: „Der Brief vom 28. hat mich erreicht.“ Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte dies darauf hindeuten, dass von Fersen diese Briefe Dritten zeigen wollte, ohne die Königin oder sich selbst zu kompromittieren – möglicherweise um Unterstützung für die geplante Flucht des Königspaares aus dem Hausarrest zu bekommen. „Die Analyse aller sichtbar gemachten Textabschnitte durch Historiker und Kuratoren ist zurzeit noch in Arbeit“, so das Team. Was sich letztlich aus den gestrichenen Textpassagen herauslesen lässt, muss sich daher erst noch zeigen.

Quelle: Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abg4266

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