Schon frühere Studien hatten Hinweise darauf geliefert, dass das männliche Geschlechtshormon Testosteron dabei eine Rolle spielt. Über die Zwillingsforschung ist es möglich, die Auswirkungen eines erhöhten Testosteronspiegels bei Frauen zu untersuchen. Dazu werden verschiedengeschlechtliche Zwillingspaare mit gleichgeschlechtlichen verglichen. Diesen Ansatz wählten die Wissenschaftler auch hier: Sie studierten die Unterschiede im MRT bei 804 Zwillingen mit einem Durchschnittsalter von 22 Jahren. Dazu gehörten 351 Frauen und 223 Männer mit einem gleichgeschlechtlichen Zwilling sowie 120 Frauen und 110 Männer, die einen andersgeschlechtlichen Zwilling hatten.
Frauen mit Zwillingsbrüdern schnitten signifikant besser ab als ihre Geschlechtsgenossinnen, die eine Zwillingsschwester hatten, zeigte die Auswertung. Auch Männer mit einem Zwillingsbruder erreichten höhere Punktzahlen als Männer mit einer Zwillingsschwester, allerdings in geringerem Maße. Insgesamt übertrumpften die Männer die Frauen deutlich, was die Forscher auch erwartet hatten.
Für den Bruder-Effekt gibt es zwei Erklärungen, schreiben die Wissenschaftler. Zum einen könnte es sein, dass Frauen unter vorgeburtlichem Testosteroneinfluss in gewisser Weise vermännlichen: Wenn sie in ihrer embryonalen Phase einen benachbarten männlichen Zwilling haben, bekommen sie mehr Testosteron ab, wodurch ihr Gehirn höhere Leistungen bezüglich dreidimensionalen Denkvermögens entwickelt. Andererseits könnte die Ursache für den Effekt jedoch auch im sozialen Bereich liegen. Demnach kommen Frauen mit einem Zwillingsbruder mehr mit männertypischen Aktivitäten in Berührung als Frauen mit einer Schwester. Die Forscher selbst glauben an eine Mischung von vorgeburtlichen hormonellen Gegebenheiten und späteren Umwelteinflüssen: Testosteron wirkt während der Schwangerschaft auf weibliche Föten, so dass diese sich nach der Geburt eher männertypischen Aktivitäten zuwenden und dadurch auch im räumlichen Denken immer besser werden.