Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Roboter-Meinungen können ansteckend sein

Gesellschaft|Psychologie

Roboter-Meinungen können ansteckend sein
Welche Striche sind gleich lang? Roboter können Kindern bei der Antwort einen Bären aufbinden. (Foto: Tony Belpaeme / Ghent University)

„Also ich denke, die Antwort X ist richtig“ – sind viele Personen dieser Meinung, neigen andere Menschen dazu, sie zu übernehmen, auch wenn sie falsch ist. Nun sind Forscher der Frage nachgegangen, inwieweit dieser sogenannte Konformitätseffekt auch auftritt, wenn „künstliche Personen“ – Roboter – falsche Meinungen äußern. Den Ergebnissen zufolge lassen sich Erwachsene durch den Gruppendruck von Robotern nicht verleiten. Doch Kinder im Alter von sieben bis neun Jahren sind für den Effekt sehr wohl empfänglich. Da interaktive Roboter-Systeme häufig gezielt für den Kontakt mit jungen Menschen konzipiert sind, ist diese Wirkung zu beachten, sagen die Wissenschaftler.

Die Erforschung des Phänomens hat bereits eine lange Tradition: Schon in den 1950er Jahren hat der Psychologe Salomon Asch durch Konformitätsexperimente gezeigt, wie sehr eine Gruppe die Meinung eines Einzelnen beeinflussen kann. Das Prinzip: Die Versuchspersonen sollen eine bildliche Darstellung beurteilen und hören dazu die bewusst falsche Einschätzung anderer Personen, die in das Experiment eingeweiht sind. Die Probanden übernehmen dann häufig die falsche Meinung der Mehrheit, obwohl sie unter anderen Umständen zur richtigen Interpretation der Abbildung gelangt wären.

Konformitätsexperimente mit futuristischem Touch

Die Forscher um Anna-Lisa Vollmer von der Universität Bielefeld haben dem Konformitätsexperiment nun einen futuristischen Touch verliehen: In ihren Versuchen bildeten nicht Menschen die „eingeweihte“ Gruppe, sondern drei kleine Roboter vom Typ Nao. Es handelt sich um sogenannte Humanoide mit menschlichen Merkmalen, die sprechen und gestikulieren können. Im ersten Teil der Studie untersuchten die Forscher, ob Erwachsene ihr Urteil an das der drei anwesenden Roboter anpassen.

Im Rahmen der Versuche sahen die Versuchspersonen auf einem Bildschirm einen senkrechten Strich. Sie sollten dessen Länge mit drei weiteren Strichen (A, B und C) vergleichen und sagen, welcher dieser Striche gleich lang ist. Zunächst überprüften die Wissenschaftler erneut den Effekt des Grundprinzips des Konformitätsexperiments mit drei menschlichen Eingeweihten: Wenn die richtige Antwort „B“ lautete, behaupteten sie zum Beispiel fälschlicherweise „C“ sei die korrekte Antwort. Für das eigentliche Experiment wurden diese Experimente dann mit Erwachsenen durchgeführt, die es mit den sprechenden Robotern als eingeweihte Meinungsvertreter zu tun hatten.

Anzeige

Erwachsene nicht – Kinder aber durchaus

Es zeigte sich: Wie zu erwarten war, neigten die Versuchspersonen dazu, sich dem falschen Urteil der menschlichen Meinungsvertreter anzupassen. Doch interessanterweise war das bei den Robotern nicht der Fall, zeigten die Auswertungen. „Erwachsene halten der Beeinflussung stand, obwohl sie sich in der gleichen Situation von anderen Menschen beeinflussen lassen würden“, resümiert Vollmer.

Wie der zweite Teil der Studie ergab, gilt dies aber offenbar nicht für Kinder. Das Versuchs-Konzept mit den sieben bis neun Jahre alten Probanden war das gleiche wie bei den Erwachsenen – aber mit abweichendem Resultat: „Kinder geben dem sozialen Druck nach, den die Gruppe von Robotern ausübt“, berichtet Vollmer. Offenbar hatten die jungen Probanden dem Urteilsvermögen der kleinen künstlichen Personen eine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. „Obwohl Kinder als künftig bedeutende Nutzergruppe angesehen werden, ist bis jetzt kaum bekannt, welchen Einfluss Roboter auf Kinder haben und wie sich Roboter-Verhalten auf die kindliche Entwicklung auswirkt“, betont Vollmer.

Welche Effekte genau hinter der „ansteckenden“ Wirkung der Roboter auf Kinder stecken, ist noch unklar, dennoch zeichnet sich ab: Die Studie hat praktische Bedeutung für den Einsatz von humanoiden Robotern, sind die Wissenschaftler überzeugt. „Es gibt Anwendungen, in denen eine Beeinflussung Vorteile bietet, wie zum Beispiel im Gesundheitswesen oder der Bildung“, sagt Vollmer. „Aber natürlich dürfen wir auch fragwürdige Anwendungen nicht außer Acht lassen. Ein Beispiel wäre die manipulative Kraft von mehreren Robotern in einem Geschäft, die für ein Produkt Werbung machen“, gibt Vollmer abschließend zu bedenken.

Quelle: Universität Bielefeld, Science Robotics. DOI: 10.1126/scirobotics.aat7111

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

mär|chen|haft  〈Adj.; –er, am –es|ten〉 1 unglaublich wie ein Märchen, wunderbar wie im Märchen 2 zauberisch–unwirklich … mehr

Di|kar|bon|säure  〈f. 19; Chem.〉 organ. Säure, die zwei Karboxylgruppen (–COOH) im Molekül enthält; oV 〈fachsprachl.〉 Dicarbonsäure … mehr

Ge|hör|knö|chel|chen  〈Pl.; Anat.〉 schallleitender Apparat im Mittelohr der Wirbeltiere u. des Menschen, der die Schwingungen vom äußeren Trommelfell auf die ovale Membran des inneren Ohrs überträgt (Hammer, Amboss u. Steigbügel)

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige